Samstag, 19.12.2015:
Hokitika- kein Glühwein, sondern Glühwürmchen
Gibt es etwas Entspannenderes als über den Strand zu laufen, nach Steinen zu gucken, die Wellengeräusche im Hintergrund, dabei die Melodie von der Misa Criolla zu summen, natürlich die Alt-Stimme, und manchmal mit zu dirigieren? Höchstens hier nun im Auto zu sitzen, Tür offen, Blick auf den tosenden Pazifik und dabei zu schreiben. Ich habe bereits eine 9 km-Wanderung hinter mir, als ich mich bei den Steinen entspanne. Einzig nervig ist, dass ich die meisten liegen lassen muss. Hätte ich ein Haus hier, würde ich ein Zimmer nur für Steine einrichten!
Ich bin weiterhin in Hokitika, diesem entspannten Städtchen am Wasser. Und habe den Tag auch entspannt verbracht, von der langen Wanderung in der prallen Sonne mal abgesehen. Aber Spaß hat sie gemacht! Sie führte einmal um die Innenstadt, immer wieder an historischen Punkten vorbei, die dann auf Tafeln beschrieben wurden.
Normalerweise kann ich mich nicht für Historisches begeistern, aber im Ausland ist das etwas anderes. Völlig unerwartet geht der Weg oft durch grünes Gebiet, durch kleine Wälder, selten an der Straße, und dann auch nur an ganz ruhigen. Zwischendurch gibt es eine kleine Pause am „Historical Machinery Park“, in dem Rentner älteren Jahrganges sich passend um historische Maschinen kümmern.
Es hat Spaß gemacht, da durch zu gehen und zu gucken. Besonders eine alte, noch fahrtüchtige Isetta und die Feuerwehrwagen haben es mir angetan. Auf dem Weiterweg in die Stadt hält einer der Rentner neben mir und fragt, ob er mich mit hinein nehmen sollte. Ich möchte aber lieber laufen – bereue diese Entscheidung bereits 2 Minuten später, als mir die Sonne eigentlich zu heiß wird – allerdings wäre ich um den entspannten Steine-Weg gebracht worden.
Nach dieser Aktion und mit einer Packung Tomaten setze ich mich eine Weile in die Bibliothek, gehe dann ins Hallenbad, um ausgiebig zu duschen und ein paar Anstandsrunden zu schwimmen. Danach fühle mich sauber wie lange nicht mehr. So kann ich heute Nacht wieder auf den netten Campground am See, vorher möchte ich allerdings noch in eine Glühwürmchen-Höhle.
Nun muss ich noch die Zeit bis zum Dunkel-werden herum bekommen. Ein Einkauf, eine weitere Runde Lesen und etwas Essen am Pazifik, und dann mache ich etwas, was ich noch nie gemacht habe: Ich gehe alleine in eine Kneipe. Das „Stumpers“ wird im Lonley Planet als Kneipe empfohlen, in der sich die Einheimischen treffen, in der man wunderbar beobachten kann. Eben das mache ich. Es ist schon komisch, sich da alleine hineinzubegeben, aber auch witzig.
Ich vermeide Blicke allein herumstehender Männer, weil ich ja gar nicht angesprochen werden möchte. Alkoholfreies Bier gibt es nicht, aber Leichtbier und damit vergnüge ich mich dann. Der Wirt erklärt mir, dass ich 4 normale Bier trinken dürfe, um noch Auto zu fahren, aber ob ich das so glauben soll? Ich teste es lieber nicht.
Nach und nach füllt sich der Laden. Immer mehr Männer, die aussehen, als kämen sie direkt von der Farm, und einige ziemlich aufgetakelte Mädels möchten sich offenbar heute Abend hier vergnügen. Manche verschwinden direkt hinter der Theke, wo sich, wie ich später herausfinde, ein Raum mit Spielautomaten befindet.
Inzwischen wird auch draußen das Alter kontrolliert, ab wann man hier rein darf, weiß ich nicht. Meinen Ausweis will ja keiner sehen….
Mittlerweile hat eine Band mit dem Spielen sehr rockiger Lieder begonnen. Cool! Lauter Männer um die 50 plus machen richtig gute Musik. Nicht das, was ich normalerweise höre, aber das würde ja auch nicht in die Kneipe passen. Samstag Abend in einer Kleinstadt. Und Silke mittendrin! Das Beste: ich fühle mich wohl, nicht einsam, nicht ausgeschlossen! Kann einfach beobachten, genießen und mich über so einiges gut amüsieren. (Das gibt zwei weitere Pluspunkte – einen fürs Trauen, da alleine hineinzugehen (hab ich am Abend vorher nicht!), den zweiten fürs gute Gefühl!)
Gegen 22:15 verlasse ich die Lokalität und begebe mich nun zu den Glühwürmchen. Den Ort hatte ich nach dem Schwimmen schon ausgekundschaftet, so dass ich weiß, wie nahe der ist. Zwei Minuten mit dem Auto, dann 2 min Laufen, schon bin ich da. Die Höhle ist keine Höhle im eigentlichen Sinne, sondern eine Ansammlung von Bäumen, die so dicht wachsen, dass es so scheint, als wäre man in einer. Zunächst sehe ich nichts, spreche darauf einen an, der gerade die Örtlichkeit verlässt, ob er etwas gesehen hat. Der reagiert etwas merkwürdig, finde ich – und dann sehe ich auch, weshalb. Überall sehe ich an den Bäumen lange leuchtende Fäden herunterhängen. Als ob jemand Weihnachtsketten aufgehängt hat. Leicht bläulich scheinen die, so schön! Meine Foto-Versuche scheitern, dafür ist es zu dunkel. Schade! Ich werde versuchen, diese Bilder im Gedächtnis zu behalten!
Kurz noch zur „Wifi-Stelle“ am Museum, anschließend fahre ich wieder auf den Campground und bin um 23:00 da.
Alles ist dunkel, Camper gehen meistens früh ins Bett. Zum Glück kenne ich die Örtlichkeit von gestern und so finde ich schnell einen geeigneten Platz – und geeignet heißt, mein Auto steht gerade! Nun noch Zähne putzen – schlafen!
Sonntag, 20.12.2015
Ein grauer Tag an der Westküste mit farbigem Ausgang
Der heutige Tag ist grau – außen und innen. Schon als ich aufwache – beides. Aber ich möchte mich davon nicht so sehr beeindrucken lassen. Das Frühstück muss ich in den Bus verlagern, es fängt an zu regnen, und hört auch gar nicht wieder auf. Eigentlich möchte ich sofort weiter in den Süden fahren, fühle aber, dass mir einer kleiner Talk mit Bernd gut täte und fahre dementsprechend noch mal wieder zurück nach Hokitika, wo ich mich mit den Bus an die Wifi-Zelle stelle und mit Bernd skype. Das tut schon mal sehr gut, und ich beschließe, den Tag wieder einmal langsam anzugehen. Das schlechteste bei nicht so guter Laune ist Hektik. Also setze ich mich danach mal wieder erst einmal in ein Kaffee – it’s cappuccino-time! Danach fühle ich mich schon mehr gerüstet, den Tag anzugehen.
Hier werde ich mir der Vergänglichkeit der Zeit und des Materiellen bewusst. 1860 entwickelte sich diese Stadt während des Goldrausches an der Westküste zu einer wichtigen Stätte und hatte ca. 2500 Einwohner. 1909 fand man hier den größten Goldklumpen in ganz Neuseeland, faustgroß und 2,8 kg schwer! Heute lebt der Ort davon, dass Touristen diese Historie bewundern. Es liegt sicherlich nicht nur daran, dass heute Sonntag ist, dass alles so ausgestorben wirkt. Was sollen die 290 Einwohner auch machen – außer die Wanderwege in Ordnung zu halten und Touristen den Museumsbesuch (2$) zu ermöglichen? Hätte ich im Reiseführer nichts davon gelesen, wäre ich sicherlich weitergefahren. So aber nehme ich mir Zeit und gehe den wirklich wunderschönen Rundweg durch den heute auch noch dem Namen alle Ehre machenden „Regen“- Wald. Immer wieder zeigen alte Überreste und Fotos auf Schildern auf, wie das Leben hier früher zuging, mit welchen Mühen Gold gesucht und transportiert wurde. Bevor ich den Rundweg von einer ¾ Std. starte, kommen zwei Busse mit Japanern an, die durch das kleine Museum stoben und in einer Goldwasch-Anlage nach Gold suchen. Auf die Busse ist Verlass!
hier hat sich ein Arbeiter seine Bleibe gebaut
das restaurierte Original-Haus einer niederländischen Goldsucher-Familie
ein beeindruckender Friedhof – wie alt die Grabsteine, wie jung manche bereits verstorben sind…
Natürlich besuche ich nach der Wanderung auch das Museum, erzähle ein wenig mit der Frau, die heute hier Dienst hat, und trinke (und genieße) dabei den schlechtesten Kaffee meiner ganzen Reise.
Meine Fahrt geht weiter. Durch die dichte Wolkendecke zeigt sich die Landschaft nicht nur nicht von ihrer schönen Seite, eigentlich zeigt sie gar keine Seite. Es ist einfach nur grau. Mit kleinen Zwischenstopps und einer netten Lese-Ess-Pause an einem See lande ich am Franz-Josef-Glacier, dem Touri-Treffpunkt schlechthin. Der Gletscher ist 10 km lang und landete einstmals im Meer. Inzwischen ist auch er von der weltweiten Gletscherschmelze betroffen, aber am wenigsten stark.
Ich überlege eigentlich noch 30 km weiterzufahren, denn dort ist ein guter, trotzdem günstiger Campingplatz. Doch erst einmal wandere ich durch den Ort, komme an diversen Schnickschnack-Läden vorbei, und treffe auf ein Hostel, das sehr einladend aussieht. Ich frage nach, ob es möglich ist, hier in meinem Auto zu übernachten und alles mitzubenutzen: gar kein Problem. 18$ – und dabei ein schöner Aufenthaltsraum mit großer Küche, abends gibt es eine vegetarische Suppe „for free“ – superlecker – und morgen früh sogar noch Frühstück. Abgesehen von der Popcorn-Maschine, die am Eingang steht. Und freies Wifi! Mein inneres Grau erhellt sich schlagartig, ich komme mit jungen Leuten ins Gespräch, ein junges Ehepaar ist mit Baby hier, hurra, da „schlag ich doch gleich mal kurz zu“ (ich bin seit jeher ein Kinder-Fanatiker), und ich kann alle Geräte aufladen! Ach, wieder mal gut, dass ich auf meinen Bauch gehört habe! Ich werde, glaub ich, noch eine weitere Nacht bleiben.
Meine Flasche Wein habe ich reingeholt, und so sitze ich hier und schreibe in Ruhe. Neben mir spielen junge Deutsche ein lustiges Kartenspiel, zwei englisch-sprechende scrabbeln schon seit Stunden, zwei Niederländer – noch älter als ich;-) scheinen auch einen Blog zu schreiben. Und gleich gehe ich in mein Auto, in mein Einzel-Auto, während es für die anderen es hier vier- und sechs-Bett-Zimmer gibt.
So nimmt der graue Tag noch ein farbiges Ende! Wie so oft lerne ich: Lass dich drauf ein, trau dich!
So nimmt der grau Tag noch ein farbiges Ende! Wie so oft lerne ich: Lass dich drauf ein, trau dich!
Montag, 21.12.2015:
Ein Crash am Morgen – in NZ ohne Kummer und Sorgen
Nicht gerade der gewünschte Tagesanfang – rückwärts ein parkendes Auto auf dem Parkplatz des Hostels anzudetschen. Aber in Neuseeland ist eben alles easy. Während ich mit den Gedanken „ Mist, das war ja ich! Was nun? Versicherung hin und her, aber was muss ich nun tun, wie läuft das ab?“ aussteige, tut der Typ, der das Ganze beobachtet hat, die Sache ab mit „Ist doch nur ne Schramme“. Die beiden jungen Leute, die im Office sitzen, wissen auch nicht, wem der Wagen gehört, einem der Gäste halt, aber „lass einfach Name und Telefonnummer hier, dann wird das schon“. Gerade als ich am Schreiben bin, kommt das niederländische Paar zum Frühstück und ich frage kurz, ob das ihr Wagen ist – und lande einen Volltreffer. Aber die beiden sind entweder lange genug schon in Neuseeland, oder aber in Holland ist man auch so locker. „Kein Problem, gib uns die Daten, wir haben aber auch eine Versicherung ohne Selbstbeteiligung, ich glaub, das merkt nicht mal einer, also alles gut.“ Wie anders wäre das in Deutschland abgelaufen! Das hier hat mal gerade fünf Minuten gedauert….
Ich fahre ab – ohne ein schlechtes Gefühl und mit guter Laune! Die Sonne scheint, heute heißt es, den Gletscher zu erkunden. Wie ich ansonsten den Tag gestalte, weiß ich noch nicht. Erst einmal muss ich noch ganz andere Gedanken sortieren. Bernd hat mir gesagt, dass er es sich doch gut vorstellen könne, mich doch im Januar durch den Norden Neuseelands zu begleiten. Wir haben oft darüber gesprochen, und ich hatte es ihm sogar oft nahegelegt, es mir gewünscht – aber nun weiß ich gar nicht mehr, ob ich das so gut finde. So gerne ich ihn bei mir hätte – ich hab das Gefühl, dies hier hat so ganz allein zu meinem Projekt entwickelt, das ich gerne auch selbständig zu Ende bringen möchte. Zwei Seelen in meiner Brust. Und ich möchte ihn doch auch nicht enttäuschen, nach dem Motto, „ach ne, ich möchte dich hier doch nicht haben.“ Dabei hat er mir gleich gesagt, ich solle es mir gut überlegen, es wäre auch völlig in Ordnung, wenn ich die drei Monate alleine verbringen möchte. Trotzdem.
So wandere ich mit diesen Gedanken zum Gletscher, wäge ab, mein Bauch sagt nein, mein Kopf sagt, doch. Mein Bauch – mein Kopf. Meine inneren Stimmen im Zwiespalt, aber ich weiß inzwischen, dass mein Bauch ehrlicher zu mir ist, mir sagt, was ich wirklich möchte, und dass das nicht gegen meinen Mann gemünzt ist, sondern einfach nur für mich. „Aber das kannst du doch nicht machen! Ihn so zu enttäuschen! Kind! “ Ich fühle mich wie in der Werbung eines Waschmittels (wenn ich mich recht erinnere), Engelchen und Teufelchen je auf einer Schulter… Das Engelchen ist mein Bauch – nur zum besseren Verständnis, das Teufelchen? Wahrscheinlich meine Moral, meine Erziehung, meine – keine Ahnung…. Sie streiten jedenfalls heftig und ich bin dazwischen ohne Mitspracherecht. Stop! Ohne? Nein, so nicht! Ich fege die beiden hinunter, setze der Diskussion ein Ende und entscheide mich für meinen Bauch. Ich weiß doch, dass ich mit Bernd so offen reden kann!
Ich genieße die unglaubliche Gegend trotzdem, mache Fotos, staune und denke. Nervig sind einzig die vielen Hubschrauber, die die Touristen direkt auf den Gletscher bringen. 20 min für 200 $, ca. 120 €. Auf einem Schild wollen sie mir verkaufen, dass es ansonsten keine sicheren Wege auf den Gletscher gibt – glaube ich auch sofort – aber müssen die Menschen wirklich überall hin? Ist es vielleicht doch nicht eher so, dass damit viel Geld verdient wird? Und sie so den Lärm erklären/entschuldigen wollen? Die Bewegung, also das Wandern, tut gut.
Als ich bereits wieder auf dem Rückweg bin, macht es mit einem Mal „Pling“ und eine SMS von Bernd erreicht mich. Er hat genau die gleichen Gedanken wie ich und schlägt vor, doch lieber später einen gemeinsamen Urlaub zu machen, ich sei doch so in meinem Rhythmus drin, dass es vielleicht wirklich gar kein so guter Gedanke sei. Nur als Anstoß, ich solle mich trotzdem selbst entscheiden. Sind diese Energieschwingungen so stark, dass wir zur gleichen Zeit dasselbe denken? Oder kennen wir uns einfach nur so gut? Ich kann es kaum glauben, mir kommen ad hoc die Tränen, ich setze mich auf einen Stein, zum ersten Mal weine ich in Neuseeland. Nur kurz. Und warum, weiß ich auch nicht so genau. Erleichterung? Nein! Es ist die tiefe Freude, die Dankbarkeit, dass mein Mann und ich uns selbst über eine solche Entfernung so nahe sind. Ich kann leider nicht sofort antworten, denn der Empfang scheint nur zur Annahme von Nachrichten zu reichen, senden geht nicht.
Ich hänge noch einen weiteren Weg dran, denn ich habe eine Hängebrücke gesehen, die ich unbedingt noch gehen möchte, und bin wieder ganz gelassen.
Vorteil dieses zweiten Weges: kaum einer geht ihn, ich treffe gerade mal 3 Leute – der andere Weg ist inzwischen überfüllt, den Autos nach zu urteilen. Wieder einmal bin ich froh, recht früh da gewesen zu sein, der Ansturm kommt, als ich schon fast wieder am Auto bin und vor dem zweiten Weg kurz verschnaufe.
Zurück im Ort simse ich dann mit Bernd und alles ist im Lot: ich werde die drei Monate hier alleine verbringen und er findet es völlig in Ordnung – sagt er und ich glaube ihm.
Nach einem Abschlusskaffee mit einem (Vollkorn-!!)Brötchen beschließe ich, weiter zum Fox-Glacier zu fahren, ganze 23 km. Hier umrunde ich den wunderschönen Lake Matheson (meine Güte, ich bin wirklich ganz schön aktiv!), der berühmt ist, weil sich die Berge so wunderschön darin spiegeln – bei gutem Wetter und ruhigem Wasser. Nun, das Wetter ist in Ordnung, aber eben nicht sonnig und klar und so spiegelt sich gar nichts außer den grauen Wolken. Laut Beschreibungen am Weganfang leben hier die längsten Aale der Welt, aber eindeutig gut versteckt, ich habe zumindest keinen gesehen.
Eigentlich sollte sich ihr alles spiegeln….
„Reflexion-Island“ – ein Holzsteg im Wasser mit Sprüchen am Geländer
Es gibt hier angeblich die längsten Aale der Welt im See – haben sich aber nicht gezeigt…
Standardpflanze hier: neuseeländischer Flachs
Ich treffe auch auf diesem Weg nur wenige Menschen. Es ist fast überall das Gleiche: die meisten gehen bis zum ersten Ausgangspunkt, danach hat man seine Ruhe. So kann ich meinen Gedanken nachhängen, die aber nicht weiter weltbewegend sind.
Den Campingplatz lauf ich schon relativ früh an, wasche Wäsche, lese und lasse es mir bei einem kleinen Becherchen Wein gut gehen. Heute Abend möchte ich mal essen gehen, mir etwas anderes als Nudeln gönnen. So mache ich mich, als meine Wäsche getrocknet wieder in der Kiste liegt, zu Fuß auf den Weg in den Ort, es ist nicht weit. Und wenn ich mein Auto bewege, gebe ich ja meinen Stellplatz auf und muss mir danach einen neuen suchen. Viele reisen jetzt ja erst noch an…
Der Ort ist längst nicht so touristisch wie der letzte, aber noch weitaus genug. Ich schlendere an den Speisekarten vorbei – nichts spricht mich an – bei den Preisen! Um es kurz zu machen: ich sitze hier mal wieder in der Gemeinschaftsküche bei Nudeln mit Olivenöl und kleinen Tomaten. Ohne Knoblauch, der hat die ständige Wärme im Auto nicht überlebt…. Trotzdem- es schmeckt mir immer wieder! Und ich sitze auch lieber in einer Camping-Gemeinschaftsküche alleine als im Restaurant.
Dienstag, 22.12.2015
Was man nicht im Kopf hat, stärkt die Wadenmuskulatur!
In der Nacht hat es endlos geregnet, es ist wirklich kein Wunder, dass hier alles so dermaßen grün ist! Als ich gegen sieben aufstehe, hört es aber brav auf, und der Tag kann beginnen. Bevor ich den Fox-Glacier besuchen werde, fahre ich noch einmal an den Lake Matheson, in der Hoffnung, dass ich heute die Spiegelungen sehen kann. Leider nicht, schön ist er trotzdem. Ich umrunde ihn aber nicht, der erste Aussichtspunkt genügt mir.
Nun setze ich mich noch an die Internet-Telefonzelle, damit Ihr auf dem Laufenden bleibt. In der Camping-Küche habe ich mir auf dem Rückweg vom See noch schnell meinen Teebecher gefüllt und so sitze ich in meinem Bus und habe es mit iPad und Tee gemütlich.
Der Parkplatz für die 3 km lange Wanderung an den Gletscher liegt kurz hinter dem Ort. Schon auf der Fahrt hin zeigen einige Schilder, wie weit die Gletscherzunge bis wann reichte. 1750 die erste Jahreszahl, irgendwann kommt 1936, seitdem hat er immens abgenommen, sagenhaft!
Auf viel Geröll führt der Wanderweg lang, dort, wo der Gletscher sich einst befunden und bewegt hat. Meine Güte, mit welcher Kraft hat er solche riesigen Steine bewegt.
Wie weit man an ihn heran darf, wird an jedem Tag neu entschieden. Der Gletscher sei unberechenbar, heißt es auf einem Schild. Immer wieder treten Wassermassen aus, die dann den eigentlich breiten Weg überfluten. Kaum vorstellbar, wenn man da einfach nur so lang läuft. Heute ist es weit, bis 200 m vor die Gletscherzunge darf man. Bis auf die letzten 500 Meter lässt sich der Weg gut gehen, eben diese dann gehen steil bergauf. Stehenbleiben wegen der Steinschlag-Gefahr ist untersagt. Kurz kommt mir der Gedanke, dass es mir jetzt egal ist, ob ich an Stein– oder an einem Herzschlag sterbe – ich kann nicht mehr! Ich muss verschnaufen, ein paar kleine Minuten, und da erscheint mir ein Steinschlag unwahrscheinlicher. Ziemlich ko oben angekommen, trinke ich einen Schluck, stelle meinen Rucksack ab und mache Fotos. Leider verdeckt eine Wolke den oberen Teil der Eiszunge, aber ich sehe genug. Die Wolken verhindern im Übrigen auch den Hubschrauberlärm…. Hat doch alles Vor- und Nachteile…
Ich komme mit einer netten Deutschen ins Gespräch, die mit Mann und drei noch nicht schulpflichtigen Kindern herumreist, und plaudernd treten wir den Rückweg an. Es ist sehr kurzweilig – bis wir fast am Auto sind. Dann ein mittelgroßer Adrenalin-Ausstoß, als ich meine Kamera aus dem Rucksack holen möchte: der steht noch oben, ganz alleine, mit meinem Portemonnaie!
Mist, also das Ganze noch mal von vorn! Eine halbe Stunde hoch, eine weitere runter. Verstohlen blicke ich jedem der mir entgegenkommt auf den Rücken – vielleicht hat ja jemand gemerkt, dass „der kleine rote Rucksack vom „Viewpoint“ abgeholt werden möchte“. Und ich nicht mehr diesen scheußlichen Berg rauf muss… aber das zweite Mal lässt sich der Aufstieg etwas leichter angehen – liegt das nun daran, dass ich Angst habe, meinen Rucksack nicht wieder zu sehen, fühle ich mich verwaist ohne mein Portemonnaie oder haben sich da schnell ein paar Muskeln aufgebaut? Würde ich beim dritten Mal hochjagen können? Das probiere ich dann doch nicht aus!
Mein Rucksack steht auf seinem Platz wie vorher, alles ist noch da, und ich bin erleichtert! Zusätzlich werde ich dann auch noch belohnt (für den Aufstieg, nicht für die Vergesslichkeit…): Für einen kurzen Moment verziehen sich die Wolken und ich kann nun den ganzen Gletscher samt dem Berg dahinter sehen. Danke!
Am Wagen mache ich eine kleine Rast, stärke mich für die Weiterfahrt. Meine Route führt zunächst an der Westküste weiter in den Süden zum Städtchen „Haast“, und danach werde ich weitere Entscheidungen treffen.
Auf dem Weg dorthin halte ich an einer Lachs-Farm und erfrische mich mit einem Lachsbrot – superlecker, weil ich eben auch mal dieses weiche Brot mag. Bei einem Kaffee und einem netten Gespräch mit zwei Frauen aus Singapur und Südafrika vergeht die Zeit schnell, und ich fahre gestärkt und entspannt weiter. Zwischendurch mache ich noch ein paar Bilder vom See Paringa, es folgen viele Blicke aufs Meer, und schon bin ich in Haast.
Für den, der die Ruhe in der Natur sucht, hat dieser Teil der Küste mit seinen Wanderwegen, Vogelbeobachtungen usw. viel zu bieten, aber mich drängt es weiter. Ich hatte erst einmal genug Ruhe und Natur. Die Pinguin-Saison ist auch vorüber, derentwegen wäre ich noch glatt einen Tag geblieben. So aber genehmige ich mir in einem kleinen Shop einen Cappuccino mit einem Eis und werde die fast 150 km bis Wanaka zurücklegen. Angeblich soll man 2,5 Stunden für diese Strecke benötigen, inklusive Haas-Pass-Highway. Diese Straße wurde erst 1965 wegen seiner schwierigen Lage eröffnet. Steile Felswände, Wasserfälle, Geröll – gewaltige Summen werden laut Reiseführer investiert, um diesen Highway frei zu halten. So rechne ich mit einer Ankunft gegen 20:00, völlig okay, dafür muss ich mich morgen dann nicht mehr auf den Weg machen.
Was jedoch nun folgt, ist einfach nicht zu beschreiben. Neuseeland übertrifft sich nach jeder Kurve aufs Neue. Noch schöner, noch unglaublicher, noch imposanter. Schneebedeckte Berge, blauer Himmel, Wasserfälle, zu denen kurze Wege führen (und schon wieder ist eine halbe Stunde weg), grüne Regenwälder, plötzlich ein Fluss neben mir – es gibt nur zwei Worte, die das beschreiben: BOA! Und WOW! Immer wieder muss ich anhalten, Fotos machen, immer wieder kleine Gänge, um einen Wasserfall nicht zu verpassen. Fotos, die diese Schönheit gar nicht auffangen können, mitsamt der Gerüche, mit den Geräuschen der Vögel und des Wassers. Diese Farben, das kann keine Kamera, zumindest keine kleine handliche wie die meine, auffangen. Ich fahre an riesigen Weiden mit Schafen, Rindern oder auch Damwild vorbei, an abgetrennten Bereichen für Bienenkörbe, um die Hunderte von Bienen schwirren. Ein paar Eindrücke suche ich trotzdem aus den hunderten (vielleicht etwas übertrieben) Fotos gleich heraus.
Irgendwann kann die Seele auch an Schönheiten nichts mehr aufnehmen, und ich bin noch lange nicht in Wanaka. Ich erreiche einen wunderschönen DOC-Campground, Blick auf einen Fluss, tolle weite Felder – kann mich trotzdem nicht recht zum Bleiben entscheiden. Seit dem Fox-Glacier-Village habe ich keinerlei Empfang mehr, möchte aber heute so gerne meine Erlebnisse teilen. Und für Plumpsklos kann mich heute auch nicht wirklich begeistern. Ich koche mir eine Suppe, trinke einen „wenzigen Schlock“ Wein (wenn eine Flasche so lange hält, darf sie auch ruhig etwas teurer sein als in Deutschland, hab ich mir so überlegt…), ein paar Tomaten dazu, und nun bin ich zur Weiterfahrt bereit und freue mich auf neue Eindrücke. Und die lassen nicht lange auf sich warten: ich erreiche den Lake Wanaka – einen riesigen See mit Bergen im Hintergrund. Die Straße schlängelt sich drum herum, es ist einfach nur schön. Da entdecke ich den nächsten Campground, direkt am See, kitschig schön – trotzdem, ich fahre zwar rauf, um nachzufühlen, ob eine Übernachtung richtig wäre – und fahre weiter. Ich möchte eine Dusche (und Netz-Empfang!), einen vielleicht nicht so romantischen, aber richtigen Campingplatz. Mein Wunsch ist mir Befehl!
Der Weg führt am Parallelsee Lake Hawea, vorbei, der mit seinen Bergen gerade in der Abendsonne richtig in Stimmung gesetzt wird. Immer wieder anhalten, Bilder machen – ich bin allmählich so müde.
Ca. 10 km vor Wanaka plingt mein Phonie und ich habe nun endlich wieder Empfang. Die letzten Kilometer ziehen sich lange hin, doch endlich erreiche ich diese wunderschöne Stadt. Es ist nach 21:00 Uhr, die Rezeptionen der Campingplätze werden geschlossen haben, aber bisher hat sich immer eine Lösung gefunden. So nehme ich mir die Ruhe und Zeit, erst einmal mit Bernd zu skypen – gleich am Anfang der City findet sich eine Internet-Zelle. Wunderbar, ich mache es mir in meinem Auto bequem und schnacke eine Runde. Es ist schon komisch, dass Bernd und Björn sich gleich zu den Weihnachtseinkäufen aufmachen werden. Aber ich bin zu müde, um weiter darüber nachzudenken, geschweige denn, traurig zu werden, und suche und finde bald den Campground. Wie zu erwarten ist das Office natürlich zu, einen Plan kann man sich nehmen, eine „emergency number“ ist angegeben. Nun verstehe ich unter Notfall aber etwas anderes als spät ankommende Gäste, die auch morgens einchecken können und suche mir einen Platz zum Schlafen. Zähne geputzt, Mails gecheckt (Wifi-Kennwort stand unter der emergency number) und schlafen. Denke ich! Es klopft an meiner Tür, jemand hat diesen Platz gebucht, ich muss ihn verlassen. Er ist dabei sehr nett, kein Problem, ich schlüpfe hinters Steuerrad und nehme einen anderen. Da kommt bereits ein Mann mit einer dicken Taschenlampe auf mich zu, der Nachtwächter: wieso ich nicht angerufen hätte, ich könnte mich doch nicht einfach so hier hinstellen, die Plätze wären doch reserviert, und überhaupt, sie hätten Kameras! Ich versuche ihm klar zu machen, dass ich nicht in verbrecherischer Absicht gehandelt, sondern es so verstanden hätte. Oh, das ist kein Argument, oh nein! Das war nicht okay gewesen, ich hätte anrufen müssen, jawoll!
Zum Glück lässt er sich trotzdem darauf ein, dass ich auf dem Platz bleiben darf und mich morgen zwischen 8:00 und 10:00 melde. Ich hätte nicht gedacht, dass es auch in Neuseeland so typische Hausmeister-Typen gibt! Da mir nicht mehr passieren kann als eine weitere unfreundliche Behandlung, schlafe ich ein und dann sogar ziemlich lange. Erst um viertel nach acht mache ich mich zum Duschen auf und anschließend mein Auto abfahrbereit. Ich möchte das nachträgliche Einchecken schnell hinter mich bringen und mir dann schön am See ein Frühstück zubereiten.
Zwei junge Frauen warten im Office – aber nicht unbedingt auf mich. Ich erkläre ihnen die Situation, was ich unter emergency verstehe und sie entschuldigen sich für das Verhalten des Nachtwächters. Ich hätte völlig richtig gehandelt. Sie wollten auch nicht wegen einer „Spät-Ankommenden“ aus dem Bett geholt werden. Schön, dass wir das geklärt haben. Diese netten Frauen, ein moderater Preis und das Superwetter versöhnen mich wieder mit dieser so bezaubernden Stadt. Und das Frühstück am See erst recht. In Deutschland hätte ein solcher Ort ein „Bad“ vorweg stehen!
Frühstück mit Blick auf Wasser-Yoga
Mittwoch, 23.12.2015
Wanaka, ein ruhiger Tag mit einigen Gedanken
Ich gönne mir einen ruhigen Tag: wandere ein wenig durch den Ort, stehe mit dem Auto am See und lasse es mir gut gehen, unter anderem mit der Serie von Vox: „Mein himmlisches Hotel“ – und das nur, weil ein guter Freund mit seinem Hotel „Buchenhof“ dabei ist. Sonst hab ich es noch nie gesehen, VOX ist nicht unbedingt mein Sender, aber mit Worpswede am Start ist das alles anders. Manchmal fühle ich mich ein wenig unausgefüllt heute, kann mich aber nicht zu einer Wanderung aufraffen – ich glaube, solche Tage muss es auch mal geben.
mein täglicher Cappuccino
Einfach nichts tun, eine Zeitlang in der Bücherei sitzen – und gerade, als ich alles soweit fertig habe, dass ich es reinsetzen kann, da fällt der Strom aus – kein Strom, kein Wifi….
Ein kurzes Gespräch mit einem Jung-Erwachsenen gibt mir neuen Stoff zum Nachdenken: Er reist herum, arbeitet selten, schläft auf der Straße, das schon eine lange Zeit und findet es gut. So wie ich die Städtchen nach Campgrounds oder Natur beurteile, setzt er den Schwerpunkt darauf, wie man wo auf der Straße schlafen kann. Gibt es Vordächer, genügend Brücken, ist es erlaubt usw.. Er erwartet von den Städten und Ländern, dass für ihn gesorgt wird. Ich frage ihn auch, wie er es mit Duschen hält. Ja, in Marokko z.B. sei alles besser, da gäbe es Badehäuser. Und genügend Dächer. Hier ginge es den Menschen zu gut, Neuseeland sei eben ein total reiches Land, da würde nicht an die gedacht, die nichts haben. Hm, Eigenverantwortung scheint in seinem Wortschatz nicht vorhanden zu sein, in seinem Handeln noch weniger.
Einspruch, Euer Ehren – aber ich habe keine sonderliche Lust, mit ihm zu diskutieren. Er kann es nicht verstehen, dass ich nach den drei Monaten auch gerne wieder nach Hause möchte, es sei doch so billig, zu reisen. Dass da doch viele geliebte Menschen warten, ich auch gerne wieder bei ihnen bin, das geht nicht in seinen meiner Meinung nach ziemlich engen Schädel. Nein, Reisen alleine bildet nicht, man muss schon sehr die Augen in alle Richtungen öffnen. Neuseeland ist natürlich kein armes Land, aber eben auch kein superreiches – es hat den großen Vorteil, dass mehr Gerechtigkeit in der Verteilung herrscht. Die Kluft zwischen arm und reich ist längst nicht so ausgeprägt. Daher auch weniger Kriminalität, mehr Zufriedenheit. Ganz abgesehen von der recht kleinen Bevölkerungsdichte, besonders hier auf der Südinsel!
Das ist meine Meinung, die ich aber für mich behalte, dort in der Bibliothek. Später denke ich noch länger an dieses Gespräch: kann ständiges Herumreisen wirklich zufrieden machen? Einem einen Sinn geben? Glücklich machen, einen weiterbringen? Nur seinen Rucksack, und in seinem Fall eine Gitarre zu haben, kein Bett oder eine andere Schlafmöglichkeit, und das länger als…? (hier kann man individuell eine Zahl mit Maßeinheit eintragen…)
Es wirft mich auf meine innerste Frage zurück – was möchte ich noch so mit meinem Leben anfangen? Gut, sicherlich schon mal nicht unter Brücken oder Dächern schlafen, auch wenn es genügend Badehäuser gäbe. Mit den Fragen nach Sinn und Glück haben sich schon diverse Philosophen beschäftigt, das bringt mir persönlich aber nichts. Selbst wenn ich sie alle lesen würde – damit hab ich meinen persönlichen Sinn noch nicht gefunden – es sei denn, ich fände ihn plötzlich im Lesen philosophischer Schriften. Auf irgendeiner Wanderung hatte ich genau den Gedanken – wo liegt eigentlich der Sinn der Philosophie? Ich hab ihn nicht gefunden. Was nützt es dem einzelnen zu wissen, was ein anderer sich für Gedanken macht? Gut, es gibt sicherlich neue inspirierende Denkanstöße, aber den eigenen Sinn kann doch nur jeder für sich selbst suchen und vielleicht finden – und bestimmt nicht (nur) durch Denken, sondern eher durch Handeln. (Einen Sinn der Philosophie hab ich dann doch noch gefunden: als Fach für Studenten, die nicht wissen, was sie studieren sollen…)
Am späteren Nachmittag checke ich mich wieder auf dem gleichen Campground ein – ich bekomme gleich einen besseren Platz als mir ohne Stromgebrauch zusteht – ich denke, weil mich der Typ so angemacht hatte. Weil der Platz eine Nummer hat, kann ich das Auto auch abends noch mal gut bewegen, und setze mich in eine Pizzeria – ich habe das Gefühl, ich brauche mal wieder eine richtige warme Mahlzeit. Lecker, aber danach habe ich Bauchschmerzen. Offenbar bin ich das einfach nicht mehr gewöhnt… Egal, in einer Kneipe bei der Wifi-Zelle trinke ich ein Bier, ich glaube es ist mein erstes „echte“ nach meinem Schmerzklinik-Aufenthalt, schreibe eine Weihnachts-Rundmail und skype eine kleine Runde mit Bernd.
Morgen werde ich eine Wanderung machen – aber das ist morgen….
Donnerstag, 24.12.2015
Weihnachten und Berge
Ob dies nun hier der richtige Ort zum Schreiben ist, weiß ich noch nicht. Ich sitze in einer Kneipe, drinnen recht leer, Türen offen, draußen ein toller Gitarrist. Drinnen wird auch gerade Musik angemacht, hm, das ist nun ein wenig zu viel des Guten. Okay, der Musiker draußen hat gerade aufgehört.
Heute ist nun der 24. Dezember – der Tag, vor dem mir in letzter Zeit am meisten gegraut hat. Gleich heute Morgen mache ich mich auf zum Mt. Aspiring, dem, ich glaube, zweithöchsten Berg hier. Eine Wanderung zum Gletscher ist angesagt. Zunächst aber ist die Fahrt schon aufregend genug. 51 km muss ich zunächst hinter mich bringen, davon die letzten 30 km auf Schotterstraße. Erst denke ich „wie ätzend, das ganze Auto wird durchgeschüttelt“, bald „ach wenn es doch nur die Schotterpiste wäre…“ – es folgen für Tiere nicht begehbare Übergänge, also solche Eisenstreben, und dann ein kurzer Bergpass, an dem ich nur hoffen kann, dass mir keiner entgegenkommt. Ich hätte nicht gewusst, wohin. Nebenbei geht der Weg mitten durch Schaf- und Rinderherden.
Zu guter Letzt kommen 10 (!) so genannte „fords“, auf Deutsch Furt (sagte mir bisher allerdings nichts), das sind Flussdurchquerungen: mitten durchs Wasser mit meinem Auto, manchmal ca. 50-60 cm tief. Und noch weiß ich nicht, wie viele kommen, erst auf dem Rückweg zähle ich mit. Jeder ist aufs Neue spannend! Wäre jemand anderes gefahren, hätte ich die Augen zugemacht – was ist, wenn ich nicht wieder rauskomme? Ich bin auf dem ganzen Weg nur einem anderen Fahrzeug begegnet – wann würde man mich finden?
Als ich am Parkplatz oh Wunder ganz unbeschadet ankomme und die Anzahl der Autos sehe, weicht der Respekt – da sind ja alle durch, nicht nur 4-Rad-betriebene. Es gibt keinen anderen Weg, man hätte mich also noch heute gefunden.
Die Wanderung führt 6 km hoch an den Gletscher. Es herrscht tolles Wetter, wunderbar zu laufen, manchmal etwas anstrengend.
Aber ich merke einen eindeutigen Muskelaufbau, der Weg wäre mir am Anfang meiner Wanderungen schwerer gefallen. Und schon ziehe ich in Gedanken die Verbindung zu meinen „Bergen“. Auch hier sind die Muskeln gewachsen und mir fällt es leichter, mit schwierigeren Gefühlen umzugehen. Sie nicht so wichtig zu nehmen, sie zuzulassen und fühlen und vertrauen – es kommen auch wieder andere. Nach der Steigung geht es bergab. Nach einem Gefühlstief gibt es auch wieder ein Hoch, meist schon am gleichen Tag. Oft nach ein paar schönen WhatsApp oder beim skypen – oder nach bzw. beim Schreiben.
Weihnachten – vormals ein großer Berg, heute eigentlich eher ein kleiner Hügel. Aus der Ferne sah er viel, viel höher aus. Liegt es daran, dass ich gar nicht weiß, wann ich denn hier feiern (oder traurig sein) sollte – jetzt ist es Heilig Abend, von der Uhrzeit her, zuhause aber liegt meine Familie noch im Tiefschlaf. Naja, meine Familie – die meisten Worpsweder wohl nicht mehr – die sind sicherlich mit Vorbereitungen beschäftigt. In die Kirche gehen alle erst, wenn ich tief schlafe, gut, beim Glühwein so zum Ende hin, werde ich wahrscheinlich das erste Mal wach. Es sei denn, ich schmeiße mich hier noch ins Partyleben, das ist allerdings eher unwahrscheinlich.
So fällt Weihnachten einfach aus – nein so kann man das auch nicht sagen. Es ist nur ganz anders – und gibt mir viele Denkanstöße, wie zum Beispiel der Stress mit dem Schenken. Ein Punkt, den ich im nächsten Jahr gründlich überdenken werde. Es wird immer schwieriger, Überraschungen zu machen. Wünsche? Da bekomme ich doch schon selbst Probleme, eigene zu äußern. Die, die ich habe, sind nicht mal eben erfüllbar. Und da geht es nicht nur mir so.
Der Stress in der Weihnachtszeit, in der Adventszeit – ob ich ihn abstellen kann? Nach den jetzigen Erfahrungen glaube ich daran. Ansonsten muss ich wohl noch einmal üben…. Gedanken über Traditionen – an welchen möchte ich festhalten, welche nicht? (Klar, unsere Mokkatorte, die bleibt…) Gedanken über die eigentliche Bedeutung, welchen Stellenwert hat sie für mich? Ich komme zu dem Schluss, dass ich unbedingt an einigen Traditionen festhalten möchte, Weihnachten ist zuhause wichtig für mich, das gemeinsame Feiern in der Familie, kleine Geschenke, der Abend in seiner Form. Das Treffen in oder vor der Kirche mit Freunden, Bekannten – der einzigartige Glühweinstand zwischen zwei Gottesdiensten – es gab Zeiten, da wollte ich gar nicht nach Hause, so sehr hab ich das genossen! Dass ich da in diesem Jahr nicht dabei sein kann, das finde ich schade.
Ja, Wanderungen lassen Gedanken strömen! Und ich genieße die Berge in ihrer Größe, den Gletscher, unbeschreiblich!
Wieder unten angekommen, unterhalte ich mich mit einer netten Frau aus Hawaii. Sie überlegt, ob sie hochgehen sollte, inzwischen ist es natürlich viel wärmer und auch windiger geworden. Ich schätze sie auf ca. 70 – und sie will morgen einen Fallschirmsprung aus der höchsten Höhe machen! So cool! Ich zeige ihr Fotos vom Gletscher, das reicht ihr. Sie freut sich, geht aber nicht mehr hoch. Ich verspreche, sie ihr demnächst zuzumailen. Eine Frau aus Taiwan sitzt in der Nähe, und möchte ebenfalls die Bilder sehen. Auch ihr werde ich sie noch mailen, sie ist so dankbar, nimmt mich in den Arm – ich bin richtig gerührt.
Alles in allem hat die Wanderung mit der Fahrt 6 Stunden gedauert. Nun gehe ich erst einmal schnell einkaufen – da merke ich dann wieder an den Einkaufswagen der anderen, dass Weihnachten ist, ich selbst brauche aber nur neues Eis für meine Kühlbox und etwas Obst und Käse. So kann ich an eine Schnellkasse und bin ruck-zuck durch.
Beim Picknick am See entscheide ich, dass ich noch eine weitere Nacht hierbleiben werde, allerdings auf einem anderen Campingplatz. Ich werde morgen dann weiterfahren – wenn Ihr alle schlaft! Weil morgen offenbar alles geschlossen hat, tanke ich mein Auto voll, sonst komme ich morgen nicht weit, und will über einen dabei entdeckten Farmer-Markt schlendern.
Da überfällt es mich plötzlich von hinten, gemein und hinterhältig – das Heimweh. Ich mag gar nicht mehr gehen, schon gar nicht auf den Markt, mir kommen die Tränen, ich will nach Hause. Hey, so war das nicht gedacht. Als wäre es für mich gemacht, steht gleich neben mir eine Bank. Ich setze ich einen kurzen Moment und besinne mich: es ist in Ordnung, dass ich Heimweh habe, es ist völlig okay. „Nur, liebe Silke, vergieße nicht zu viele Tränen – Du hast keine Taschentücher dabei.“ Stimmt! Ich schreibe Bernd eine SMS, drücke meine Gefühle aus, und obwohl ich weiß, dass er die erst in ein paar Stunden liest, geht es mir besser.
Nun fahre ich zum Campinglatz, checke ein und dusche ausgiebig. Endlich kommt auch mein Reiseföhn zur Nutzung, bisher gab es auf den Plätzen immer welche. Gut gelaunt mit dem iPad im Rucksack mache ich mich wieder auf an den See, ich möchte auch heute etwas essen gehen. Spendabel sein, es ist doch Weihachten. Suche mir auf der Karte etwas Leckeres aus – doch dann wird mir gesagt, es gäbe nur ein paar Tagesgerichte. Ich bestelle mir eines auf gut Glück, weiß, dass es nur etwas Kleines ist, es ist das einzige, das ich nicht verstehe. Er versucht es mit zu erklären – ich verstehe Bahnhof! Egal, ich traue mich, stelle mir eine neuseeländische Spezialität vor – und bekomme Kartoffelecken mit Ketchup! Aber lecker:-)
Inzwischen ist Bernd auch wach, und ich suche mir die Wifi-Zelle, so dass wir schön skypen können. Was für ein Luxus, einfach so mit seinen Lieben telefonieren zu können, ohne dabei arm zu werden.
Auf dem Rückweg kehre ich noch in einer Kneipe ein, um mir einen „Absacker“ zu genehmigen, ein Light-Bier. Alkoholfreies gibt’s hier echt nur selten. Meinen Beobachtungsposten suche ich mir geschickt aus, es bringt Spaß, das laute Treiben zu verfolgen. Ich scheine die einzige Touristin zu sein, alle anderen kennen sich offenbar. Eine Frau kommt irgendwann auf mich zu, stößt mit mir an und wünscht mir „Merry Christmas“. Kurz bevor ich gehen will, kommt ein Typ auf mich zu und beginnt ein Gespräch. Das übliche, woher ich komme und wie es mir hier gefällt und was meine weiteren Pläne für die nächsten Tage sind, insbesondere für morgen. Er ist nett, und lädt mich ein, mit bei seiner Schwester, 80 km entfernt, den morgigen Tag zu verbringen. Ich bin unschlüssig – einerseits eine tolle Möglichkeit, das Insider-Leben kennen zu lernen, andererseits ist es mir zu viel, einen bzw. 2 Tage in Gesellschaft zu verbringen. Ich verspreche, mich morgen zu melden und es mir zu überlegen. Ich hasse Entscheidungen! Mein Bauch spricht aber ein klares „Nein, das ist zu schnell, zu viel, und überhaupt“! Kopf sagt „Hey, tolle Möglichkeit, noch etwas Neues zu erleben, lass dich drauf ein, das war unsere Abmachung!“
fast Vollmond – Blick vom Campground
Bauch gewinnt! Ich habe den netten Mann eben angerufen und abgesagt. Klar schimpft mein Kopf danach mit mir und ist mucksch. Trotzdem…..
Freitag, 25.12.2015
Reisekoller in Queenstown
Den Vormittag verbringe ich damit, mit meiner Familie ausgiebig und immer wieder zu skypen. Es ist schön, bei der Bescherung dabei zu sein, in der Sonne an der Wifi-Zelle zu sitzen, auf dem Holzgeländer des ansässigen Bioladens, mit einem Becher Cappuccino, den ich mir zwischendurch im 24h Shop hole.
Um 12:00 lasse ich dann Bernd schlafen gehen und überlege, wie ich den Tag weiter gestalte. Es fällt mir nicht schwer, dass ich nicht bei ihnen bin – noch nicht. Ich ahne noch nicht, dass mir ein ordentlicher Reisekoller mit tüchtigem Heimweh bevorsteht.
Zunächst gönne ich mir einen schönen Eiskaffee, lese dabei und genieße, dass ich offenbar nicht die einzige Touristin bin, die im Ort umherwandert. Zwar mal wieder die einzige, die alleine reist, aber das bin ich inzwischen fast gewöhnt.
Auch hier in Neuseeland ernte ich dafür, drei Monate alleine zu reisen, immer wieder Bewunderung. (Heute Abend auf dem Campingplatz sagte doch glatt ein junges Mädel zu ihrem Freund „das mache ich auch, wenn ich alt bin…“ Guckt mich an, wird rot und entschuldigt sich. Ich schlucke erst und amüsiere mich dann: klar, ich bin 29 Jahre älter als sie! Da sieht die Perspektive etwas anders aus.)
Zum Wandern ist es mir zu heiß, aber gleich loszufahren nach Queenstown, das ist es auch noch nicht. Ich fahre an den See, finde einen schattigen Platz für den Wagen und mache es mir mit meinem Buch gemütlich. Zwischendurch kühle ich mir die Beine, wunderbar!
Um halb vier mache ich mich dann auf. Eine gewisse Unruhe macht sich in mir breit. Wieder einmal fällt mir der Abschied schwer, ich wäre gerne noch einmal abends in diese nette Kneipe gegangen, aber deswegen bleiben? Es gibt ja noch so vieles, was ich sehen möchte!
Der Weg nach Queenstown geht über eine Nebenstrecke, ein Tipp meiner Söhne natürlich, und ist mal wieder umwerfend schön. Zwischendurch komme ich durch einen Ort, der wirklich aus drei alten Häusern, alles zum Hotel umfunktioniert und dann noch einigen Ferienhäusern besteht, die etwas von den antiquierten getrennt liegen. Wunderschön! Ich überlege, wann hier überhaupt jemand Urlaub macht, toter, wenn auch idyllisch tot, geht’s fast gar nicht – gibt es überhaupt eine Steigerung von tot?? Aber es ist ein Skigebiet! Das erklärt es dann.
EEin paar Fotos, dann schnell weiter. Meine nächste Station erreiche ich über einen schönen Bergpass mit unglaublichen Aussichten (Ich hab manchmal das Gefühl, ich wiederhole mich….): Arrowtown. Natürlich möchte ich die historische Altstadt bewundern und genieße die Ruhe hier. Wegen Weihnachten hat alles geschlossen, es sind kaum Touristen da. Auf einem herrlich grünen Picknickplatz mache ich eine Tee-/ Müslipause. Nach wie vor genieße ich das Alleinsein, die Ruhe und dann noch das herrliche Wetter. Hier stehen viele Laubbäume, die Schatten spenden, und die Vogelwelt erklingen lassen!
Eigentlich könnte ich auch hier übernachten, aber ich möchte ja nach Queenstown, ca. 20 km weiter und komme dort gegen 18:00 an. Ich habe mir ein Backpackerhostel rausgesucht, das gleiche, das ich am Franz-Josef-Glacier schon hatte – aber die Rezeption ist schon lange geschlossen. Einfach hinstellen möchte ich mich auch nicht. Meine innere Unruhe wird größer. Also werde ich mir wieder einen Campingplatz suchen, kurve durch die Stadt, die voller Leben ist, halte an einer WIFI-Zelle, kurve weiter herum und finde dann den ausgesuchten Platz.
Das Fahren durch diese Stadt strengt mich an, ein Kreisverkehr nach dem anderen, normalerweise kein Problem, aber jetzt. Als ich einmal am Rand halte, fahre ich beim Rausfahren fast einem anderen Auto in die Seite, er muss völlig in meinem toten Winkel gewesen sein, ich hatte alle Spiegel abgecheckt und die Seite auch. Ich gerate in Stress und finde zum Glück bald den Campground. Aber – hier soll ich mich wohlfühlen? Nur Schotter, ein kleiner Platz, ein Auto neben dem andern, absolut ungemütlich und dann noch völlig überteuert. Das sehe ich, als ich zumindest nach einem freien Platz fragen möchte, bevor ich mich entscheide. Selbst bei der Sonne macht der einen dunklen Eindruck. Nein, hier bleibe ich nicht. Geht gar nicht! Da kann ich mich überhaupt nicht erholen. Ich forsche weiter und sehe, dass wenige Kilometer wieder Richtung Arrowtown ein Platz ist von der Sorte, die ich schon öfter hatte. Holiday Park Top 10, da weiß ich, was ich habe. Meine Nerven fangen nämlich bedenklich an zu wackeln. Ich weiß nicht recht, wohin, erst das Backpackerhostel, dann dieser komische Campingplatz, die Stadthektik, ein Kreisel nach dem anderen, gut, dass ich gleich bei meinem Top 10 bin! Denke ich! Der ist nämlich „absolutly fullbooked“. Der nächste freie wäre in Arrowtown, in der Stadt, aus der ich gerade kam, bevor ich Queenstown ansteuerte.
Nun ist Schluss – ich setze mich ins Auto und breche in Tränen aus, hatte mich vor dem Typen noch zusammen genommen. Ich will nach Hause, jetzt! Sofort! Mir wird bewusst, dass da nun wieder eine Situation ist, mit der ich zu Hause durchaus gerechnet habe, aber wo sie nun da ist…. Das muss ich alleine meistern, ich weiß aber nicht wie, ich will nach Hause!! Überhaupt, was soll ich hier weiterhin? Immer nur weiter und weiter, ich will nicht mehr – ich will nach Hause! Ich probiere mal, ob Bernd schon wach ist und er antwortet 10 min später. Inzwischen bin ich auf dem Weg back to Arrowtown, fahre aber links ran und schreibe ihm mein Leid. Es ist verrückt, aber das tut schon mal gut.
Etwas getröstet erreiche ich das Städtchen und finde auch recht schnell den Platz. Die Rezeption ist zwar auch zu, aber an der Scheibe steht, was ich zu tun habe und somit ist die Nacht schon mal gerettet – meine Nerven noch nicht – ich will nach Hause! Ich simse Bernd schon mal die neue Lage, und dass ich nun gleich in die City wandere, weil ich weiß, dass ich dort Wifi habe. Und so mache ich es, und kann dann ausführlich skypen. Ach, das ist Seelenbalsam! Ich will zwar immer noch nach Hause, aber nicht mehr sofort. Ich kann noch bis morgen warten, ein neuer Tag, ein neuer Anfang. Ich werde vielleicht auch erst einmal zwei/drei Tage hier bleiben, erst einmal zur Ruhe kommen. In Wanaka war ich auch drei Nächte, trotzdem. Das Sprechen mit Bernd hat mir gut getan, eine anschließende Dusche und ein Salat sowie ein Becher Wein glätten mein Seelenleben weiter.
Salat und Wein
Abgesehen vom Vollmond, der sich doch immer die Scheibe im Auto sucht, die nicht abgedunkelt werden kann, ist es dunkel und ruhig auf dem Platz. Ich schreibe noch ein wenig, so kann ich morgen meinen Blog wieder füllen.
Samstag, 26.12.2015
Vorsicht – aus Mangel an neuen Eindrücken alte neue Gedanken….
Gleich heute Morgen buche ich für die nächste Nacht mit, nun kann ich den Tag ruhig angehen lassen. Ich schlendere in die „City“ (eine Straße, sehr nett), die heute schon viel belebter ist und sich während des Telefonats mit Bernd auch noch füllt. Der eigentliche Weihnachtstag ist vorbei. Es ist zwar noch ein Feiertag, aber die Geschäfte sind wieder offen, jedenfalls die Touristen-Läden.
Nach einem sehr gemütlichen Cappuccino im Schatten (Aufpreis von 15%, weil ein Feiertag ist!) sehe ich mich in Arrowtown noch ein wenig um.
Es ist inzwischen in der Sonne sehr warm und ich suche mir in der Mittagszeit einen Schattenplatz und nehme ein üppiges Mahl zu mir: Steak mit Salat und Kartoffelball. Gerade richtig in der Menge, und ein Stück Fleisch tut mir gut. Nicht bedacht habe ich natürlich auch hier die 15% Aufpreis, aber egal! Es ist Weihnachten und dann auch noch Bernds Geburtstag! Während ich esse, stößt er mit den Jungs an und wir chatten noch ein wenig nebenbei, bis ich fertig bin. So muss ich nicht einmal alleine essen. Es geht aufwärts! Dieser Berg lichtet sich, ich fühle es, ich sehe schon den Gipfel.
Alleinsein war schon immer ein gravierendes Thema für mich. Hat diverse Ängste ausgelöst und seit meinem Aufenthalt in der Schmerzklinik in Kiel bin zunehmend mehr in der Lage, es mit Ihnen aufzunehmen. Und dass gerade der Punkt „Allein-sein“ bei dieser Reise ein großes Thema sein würde, war mir klar.
Alleine zu sein stellte für mich als Kind eine große Bedrohung da: durch einen angeborenen Fehler in der Harnblase bekam ich seit frühester Kindheit häufig Nierenbeckenentzündungen und war, bis die Ursache entdeckt werden konnte, oft krank und häufig im Krankenhaus. Die Sorgen und Ängste meiner Eltern und Großeltern spürte ich, konnte sie aber natürlich nicht einordnen.
Meine Nieren waren nahezu verkrüppelt und arbeiteten nur noch einseitig, als ein Urologe mit Hilfe eines neuen bildgebenden Röntgenverfahrens auf die Ursache aufmerksam wurde. Ich wurde nun sehr schnell operiert und wieder vollständig gesund.
Im Krankenhaus allein zu sein, mit den Ängsten, mit den Untersuchungen und später dann mit der Operation war schrecklich – so sehr meine Eltern sich auch bemüht haben, mit ihren Besuchen es mir so leicht wie möglich zu machen. Aber Eltern waren damals auf Station nicht erwünscht, wurden schon gar nicht mit aufgenommen, wie es heute der Fall ist. Meine Eltern haben sich „reingeschmuggelt“, Schwestern und Putzfrauen mit Kaffee und Torten bestochen und fanden so immer einen Weg, täglich zu mir zu kommen. Trotzdem war ich alleine bei der Visite, beim Blutabnehmen, beim Fäden-Ziehen. Die Ängste erinnere ich gut, habe sie abgespeichert und werde nun einen weiteren Weg finden, ihnen die Macht zu nehmen. Schon lange sehe ich es nicht mehr als „ach ich Arme“, sondern als eine Art Aufgabe, die ich in diesem Leben angehen soll. Natürlich ist es etwas ganz anderes, alleine eine tolle Reise machen zu dürfen, aber mein Unterbewusstsein macht da so mal eben keinen Unterschied. Allein ist allein, Punkt – Aus – Basta.
Von wegen, damit ist jetzt Schluss! Schon das Wissen hilft mir weiter, aber noch wichtiger ist es, die Erfahrung zu machen, dass das Allein-Sein keine Bedrohung ist, sondern im Gegenteil Freiheit bedeuten kann, gerade mit so vielen lieben Menschen im Hintergrund.
Dass es nicht einfach sein würde, wusste ich, und schon dadurch, dass ich mir diese Tatsache hier verinnerliche, geht es mir besser und ich sehe wieder klarer. Ich fühle die Nähe meiner Familie, meiner Freunde und vieler, die ich als sehr gute Bekannte bezeichne. Was für ein großartiges Netz! Und das Wissen darum, dass ich bei dem Aufbau aktiv beteiligt bin, dass es kein „Zufallsnetz“ ist, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe, dazu in der Lage bin, gibt mir ebenfalls Kraft, Mut und Zuversicht.
Auf dieser Reise lerne ich weiterhin Loslassen, sich auf Neues – Einstellen, sich einzulassen, auf den Bauch zu hören, zu vertrauen. Dass jede Medaille zwei Seiten hat, dass ich nicht nur glücklich sein kann – Traurigkeit gehört dazu, nicht nur stark, auch mal schwach – Dinge, die mir eigentlich schon lange klar sind, ich mir aber immer wieder verdeutlichen muss. Mit diesen Gedanken kann ich meinen Reisekoller ganz gut hinnehmen – und siehe da, er fühlt sich vernachlässigt und geht.
Chinesenviertel, ich musste mich arg bücken, um reinzukommen…..
Heute Vormittag hatte ich noch geplant, nachmittags nach Queenstown zu fahren, um die Stadt zu sehen. Wieder ein Programmpunkt – nein, ich bleibe in dieser Wärme hier, bin seit Stunden auf dem Campingplatz, lese, lade meine Geräte auf, kühle meine Beine ab und an mit Eiswasser und werde nur noch einmal nachher in den Ort gehen, um zu skypen. Ruhe ist angesagt, und nun will ich mich daran halten. Genießen, an möglichst wenig zu denken, einfach nur da zu sein. Meine Gedanken aufschreiben – ihr könnt sie ja einfach überlesen, wenn euch das zu viel ist! (Merke ich auch nicht, und ist auch völlig in Ordnung!)
Morgen früh fahre ich dann wieder in die Natur, Queenstown werde ich auslassen. Das fühlt sich richtig und gut an, über Te Anau zum Milford Sound, in wie vielen Tagen weiß ich noch nicht. Da ich eh über die Stadt fahren muss, kann ich auf jeden Fall auch noch genügend einkaufen.
Viertel vor sieben – nun werde ich duschen, und dann ist es Zeit, in den Ort zu gehen, dann kann ich dieses hier reinstellen und hoffen, dass ich bald noch ein wenig skypen kann.
Sonntag, 27.12.2015
Naturcampen in Te Anau
Ich stehe auf einem Naturcampingplatz, Blick auf den Te Anau-See, es windet vor sich hin. Das Wasser ist in Aufruhr, es ist schön anzusehen! Ob ich hier wirklich übernachte? Ganz sicher bin ich mir noch nicht. Es stehen noch zwei andere Camper hier, so bin ich jedenfalls nicht ganz alleine hier, aber etwas komisch ist es doch.
Heute Morgen bin ich nun also weitergefahren. Ein kurzes Telefonat mit meinem Mann im Ort, ein kurzes Schlendern über den sich gerade aufbauenden Markt, dann fahre ich Richtung Queenstown, biege aber vorher ab – Kingston – Te Anau. Dass die Fahrt mal wieder unglaublich schöne Eindrücke hergibt, brauche ich wahrscheinlich gar nicht zu erwähnen. Einen Hügel hinauf, eine neue Aussicht, eine Kurve, wieder eine neue Aussicht. Diese Kombination von grünen Bäumen oder Büschen, blaugrüne klare Seen, dahinter Berge, grün, die in Braun und auf der Spitze in Weiß übergehen und dann der tiefblaue Himmel, manchmal mit einer kleinen weißen Wolke, aber meist eher nicht. Mein Koller ist noch nicht ganz vorbei, aber immerhin wieder deutlich besser. Ich versuche, meine Gedanken zu ordnen und mich auf die schönen Dinge zu konzentrieren.
Sich drei Monate eine Auszeit zu nehmen, ist schon etwas ungewöhnlich. Drei Monate nichts zu tun, es sich gut gehen zu lassen und keinen Pflichten nachzugehen ist etwas Besonderes und vielleicht auch etwas, womit ich manchmal schwer klarkomme. Doch genau darum geht es: Kraft zu sammeln, bei sich zu sein, nicht vom Alltag abgelenkt zu werden. Zeit haben, die Schönheiten zu sehen, zu spüren. Hier im Auto zu sitzen, dem Wind, der richtig schön durch die beiden kleinen geöffneten Hinterfenster zieht, zuzuhören, den Wellen beim Umschlagen zuzusehen, ebenso wie den Bäumen, die zum Teil erstaunlich fest stehen, zum Teil sich hin und her wiegen. Und ich hoffe, dass alle Zweige, ob groß oder klein, oben bleiben!
Ca. 2 Std. später
Ich habe den Campingplatz behalten, aber den Platz noch einmal gewechselt. Der erste war mich doch einfach zu sehr in den Bäumen, nun stehe ich etwas offener, habe weiterhin den Blick zum See und ein paar andere Camper in meiner Umgebung.
Das tut mir gut! So ganz alleine, das ist noch (?) nichts für mich. Ob ich irgendwann einmal so mutig sein werde, das wissen höchstens die Sterne. Den Anspruch habe ich aber auch nicht. Apropos Ansprüche: Da mein Schädel heute leicht migränig ist, bohre ich natürlich ein wenig nach der Ursache und komme dem auch immer mehr auf den Grund. Das eigentlich Anstrengende am Allein-Reisen sind die ganzen Entscheidungen, die ich fällen muss. Genauso, wie das eigentlich Tolle am Allein-Reisen ist, dass man die ganzen Entscheidungen alleine fällen darf. Die beiden Seiten der Medaille „Entscheidungen“. Wie in einem großen Kaufhaus (die, die mich ein wenig mehr kennen, wissen, dass Shoppen-Gehen nicht wirklich zu meinen größten Hobbys gehört) fühle ich mich auch hier von den ganzen Möglichkeiten, den ganzen Angeboten erschlagen. Immer hab ich das vage Gefühl, etwas zu verpassen, etwas nicht „richtig“ gemacht zu haben. Wie schnell doch der Blick heimlich, still und leise wieder in die falsche Richtung läuft.
Das kenne ich nicht nur aus anderen Urlauben, das kenne ich auch im Alltag. Ich möchte nichts verpassen. Aber ich möchte eben auch nicht alles mitmachen. Ich fahre morgen zum Milford Sound, ohne etwas gebucht zu haben. Das ist eigentlich schon fast eine Todsünde. Keinen Flug? Kein Schiff? Noch nicht einmal ein Kajak vorbestellt? Oh, das sieht schlecht aus! Vielleicht hätte ich auch die schönen Aussichten, die Landschaften buchen müssen? Die Tracks, die beiden bekanntesten Wanderwege hier, den Milford- und den Keppler-Track, jeweils 4 Tages- Märsche, hätte ich schon in April festmachen müssen, spätestens, aber da wusste ich ja noch gar nicht, dass ich her fahre.
Trotzdem beschleicht mich auf diese Weise immer wieder der Satz: „alle manchen etwas Tolles, nur ich nicht“. Alle machen Rundflüge, alle machen Fallschirmsprünge, alle gehen wandern…. Alle kriegen mehr Taschengeld, alle dürfen bis 12:00 Uhr weggehen.“ Ups….
Aber sobald ich mich unsicher fühle, wie eben derzeit ein wenig mehr, fällt es mir schon schwer, zu entscheiden, ob ich auf diesem Campingplatz bleibe oder eben nicht. Entscheidungen, die durchaus wichtig sein können – wäre ich nämlich weitergefahren und hätte keinen anderen mehr gefunden. Es sind Ferien und nicht nur halb Europa ist hier, die Neuseeländer machen doch glatt in ihrem eigenen Land Urlaub!
Ganz offen gestanden und nur unter uns: ich hab gar keine Lust auf einen 4-Tages-Track… nicht nur, weil ich ihn nun mal nicht machen kann….
Da muss ich wieder mehr runterkommen. Es geht nicht alles, und das wichtigste ist das Hier-Sein! Ich habe ja ganz andere Ziele und Wünsche als die Jugendlichen! Daran ändern auch Alleingänge in Kneipen nichts!
Immer wieder kommen hier Autos runtergefahren, die meisten fahren wieder weg. Das sind dann die, die ihr Zelt aufschlagen wollen, was hier etwas schwierig ist. Inzwischen sind die Stellplätze hier gut belegt, das ist ein schönes Gefühl für mich! Mein Blick wandert immer wieder zum See, im Auto sitzen, schreiben, auf den etwas stürmischen See blicken, auch wenn ein paar Bäume davor stehen, aber eben nicht zu viele, das ist schon klasse. Dank Selfie-Stick könnt ihr einen kleinen Einblick bekommen.
Ach ja, was mir heute wieder einmal so aufgefallen ist: Die Neuseeländer betreiben ja, nicht ganz unbekannt, eine intensive Schaf- und Rinderzucht. Häufig sehe ich auch große Herden mit Damwild. Die haben wir ja auch in unseren Gehegen, ich glaube zwar aus einem anderen Grunde, aber darauf will ich gar nicht hinaus. Aufgefallen ist mir, dass die Tiere sich auf engsten Schattenflächen drängen, wenn überhaupt welche vorhanden sind. Aber wenn es keine gibt? Leiden sie? Bekommen sie einen Sonnenstich? Gestern sah ich große Weiden, mit einem kleinen Baum-besetzten Bereich, in dem sich alle Schafe, dicht an dicht, drängten, ebenso bei einer Rinder- und Dammwildherde. Ganz dicht, hauptsache Schatten. Heute fuhr ich an, wie es ja meistens der Fall ist, schattenlosen Weiden vorbei. Die Schafe in ihrer dicken Wolle, Rinder mit schwarzem Fell…. Sieht ja schick aus, ist aber völlig Sommer-ungeeignet!
Ein paar Unterstände zu bauen, wäre doch sicherlich nicht schlecht. Ob ich Neuseeland – Weidenberater werden soll? Könnte ich ja auch von Zuhause, also in Worpswede übers Internet machen…
Es ist schon komisch, heute Abend kein Wifi zu haben, bzw. gar keinen Empfang. Keine Gute-Nacht-SMS, keine Mailabfrage. Wie schnell ich mich doch immer wieder an diesen Luxus gewöhne. In Arrowtown bin ich ja morgens und abends schnell noch ins Städtchen gelaufen, um skypen zu können. Gut, da war es auch besonders wichtig für mich, dafür nehme ich dann kleine Gänge in Kauf. Auch schon den Kontrast im Ort zwischen morgens und abends zu erleben, das alleine hat sich gelohnt. Abends ist der Ort verschlafen, ruht sich vom Tagesgeschehen wieder aus. Alle Busse sind verschwunden, die Parkplätze sind leer, ein paar Passanden gehen durch die Straße oder sitzen in den Restaurants zum Essen. Am Morgen erwacht die Stadt, gerade so in der Zeit, wenn ich ankomme, und während des Telefonats treffen bestimmt sechs bis sieben Busse ein, daneben noch diverse Autos. Die Leute strömen durch die Geschäfte oder heute dann über den Nach-Weihnachtsmarkt. Davon lebt der Ort, und solange abends wieder Ruhe ist, ist es wunderbar. Kneipen o.ä. gibt es nicht, habe ich jedenfalls nicht gesehen. Vielleicht haben sie ja eine weit weg von Touristen, wo die Bewohner dann unter sich sein können.
So sehr ich mal wieder im Schreibrausch bin, ich glaub, ich mache jetzt mal Schluss. Es gibt noch viele Themen, aber es gibt bestimmt auch noch mehr Tage, an denen nicht so viel passiert und ich trotzdem schreiben möchte.
Montag, 28.12.2015
Milford Sound bei bestem Wetter
Der Tag ist noch längst nicht um, es ist gerade mal 11:10 Uhr! Und ich habe schon so viel erlebt! Und sitze nun bei einem Cappuccino und nutze die Gelegenheit, gleich wieder zu schreiben.
Die Nacht wurde noch recht spannend, aber nur, weil ich eine Mücke mit im Wagen hatte, die ich mit meiner Taschenlampe finden und hinrichten wollte. Aus der einen wurden in Sekunden Massen – bestimmt 20-30, so schnell konnte ich gar nicht gucken, wie sie sich vermehrten. Hinter den Gardinen hatte ich noch die kleinen Fenster auf… Also die erst mal schnell, ganz schnell, schließen und dann quer durchs Auto schlagen. Zum Glück hielten sie sich am liebsten am Dach auf, so dass sie immer wieder gut zu sehen waren. Es dauerte trotzdem eine Zeit, bis ich alle hatte. Danach war ich eigentlich wach, aber ich technisch konnte ich mich nicht ablenken, also chatten o.Ä., und zum Lesen hatte ich keine Lust mehr. Dass ich um 5:00 fast und um 6:00 dann ganz ausgeschlafen war, hatte ich gehofft und erwartet. Ich fuhr sofort los, zum Milford Sound waren es ca. 90 km, und ich wollte vor den Massen da sein. Die Fahrt alleine ist schon ein Erlebnis, mal wieder.
Manches Mal halte ich für Bilder an, oft fahre ich weiter, möchte mich nicht zu sehr verzetteln.
der Spiegel-See
Dann kommt der Tunnel! Mit etwas Unbehagen hatte ich ja schon mehrfach vernommen, dass es vor dem Sound einen gibt, und ich halte mich inzwischen für gut fähig, das zu meistern! Aber was da von mir abverlangt wurde…. Dunkelst, schlechte Straße, eng…. Hinter mir das Auto hatte Fernlicht an, klasse! Naja, ein Kilometer, der zwar erst nicht enden wollte – den ich aber mit Bravour geschafft habe! Und den ich nachher noch zurück muss. Positiv: es gibt keinen Gegenverkehr, das wird über eine Ampelschaltung geregelt.
(Tunnelfahren gehörte lange zu meinen ärgsten Ängsten. Die meisten habe ich lange umfahren, um die Panik zu umgehen. Doch schon seit längerem stelle ich mich der Herausforderung und es wird immer leichter. Eine gewisse Aufregung ist jedoch geblieben.)
Natürlich habe ich beim Parkplatz noch fast alle zur Auswahl, ich bin zwar nicht mehr die einzige, aber von Voll kann keine Rede sein. So mache ich mich gleich auf ins Visitor Center, eigentlich, um erst einmal einen Kaffee zu trinken und dann zu überlegen, wie ich den Tag geschickterweise angehe. Dort erwartet mich ein Buchungsschalter, die gleich um 9:00 eine Fahrt anbieten. Es ist viertel nach acht, also perfekt. Ich frage nach, ob es noch freie Plätze gibt. Das sei gar kein Problem, und es ist auch noch die günstigste! Die meisten anderen sind ausgebucht, und alle sind teurer. Auf diesem gibt es sogar noch Frühstück inklusive. Das ist zwar nett, allerdings habe ich im Auto noch schnell zwei Käsebrote gegessen.
Auf geht es zum Anleger, und ich freue mich tierisch, dass das geklappt hat! Niemals hätte ich mich getraut, so eine frühe Fahrt im Voraus zu buchen!
Die Sonne scheint, die Sicht ist bestens, es könnte nicht schöner sein! Und es kommt kein: „Denke ich“- nein, es ist einfach nur schön. Anstatt mich gleich am Buffet anzustellen, wozu alle erst einmal nahezu genötigt werden, gehe ich aufs Oberdeck, bin ja zum Gucken hier, und nur an zweiter Stelle zum Essen. Auf dem Weg nach oben kann man sich Tee und Kaffee nehmen, was will ich mehr? So komme ich erst einmal in Ruhe an, beschließe dann, mir etwas Müsli und Rührei zu holen, gehe nach unten, drängele mich in die Reihe, nach dem Motto, kein Gepäck mehr, ich hab nur was vergessen, und gehe dann wieder nach oben, auf’s Dach.
Schon geht es los. Besonderheiten werden erklärt, oft fährt unser Schiff, ein Catamaran, dicht an die Felsen heran. So sehen wir mal wieder Seehunde aus nächster Nähe, werden am Wasserfall ein wenig nass, bewundern Bäume, die ganz langsam, aber direkt auf dem Felsen wachsen und gelegentlich den Fall verlieren und wieder ins Wasser rutschen und können wunderbare Bilder machen.
Das Ganze wird noch abgerundet durch einen Kontakt mit einer Familie aus Münster, die mit ihren drei wirklich netten Kindern im Alter von 7, 11 und 13 Jahren unterwegs ist. Ich genieße die Fahrt in allen ihren Facetten: Wasser, Berge, tolle Aussichten und die nette Familie!
Anschießend sitze ich nun hier im Café, natürlich längst nicht mehr bei meinem Cappuccino, aber wie in allen Restaurationen gibt es freies Wasser bis zum Abwinken – und noch winkt keiner! Als nächstes werde ich mir einen Walk aussuchen und mich bewegen. Weitere Informationen gibt es also später!
Am nächsten Tag
Der Tunnel war auf dem Rückweg gar nicht mehr so beeindruckend, wahrscheinlich weil ich nun wusste, wie lang er ist und auf was ich mich einlasse.
Ich würde ihn glatt noch einmal fahren – das war früher gar nicht so selbstverständlich. Bei so vielen Urlauben habe ich nur geguckt, durch welche Tunnel ich muss – und wir sind dadurch viele Umwege gefahren! Ich bin dankbar und glücklich, dass das überstanden ist und ich dem gelassener entgegen sehe! Und meistere!
Ich suche mir eine Wanderung zum „Lake Marian“ aus, einem Gebirgssee. Auf dem Weg dorthin besuche ich noch das „Chasm“, das sind Steinformationen, die ihre Form rein durch die Wasserkraft bekommen haben.
Hätte ich gewusst, wie anstrengend der Weg zum Lake werden würde, hätte ich ihn wahrscheinlich nicht gemacht. Das erste Stück ist unglaublich schön, nein schön ist mal wieder alles. Doch zunächst führt der Weg neben einem reißenden Fluss, das Ende vieler Wasserfälle, entlang.
Die weitere Strecke braucht viel Kraft, der Weg ist mühsam und oft muss ich kraxeln und klettern. Machmal denke ich daran, aufzuhören und umzudrehen, und gerade dann kommen mir Leute entgegen, die mir Mut machen, es sei nicht mehr sooo weit und es wäre traumhaft schön! Also nehme ich meine ganze Kraft zusammen und gehe langsam und stetig bergauf.
Es lohnt sich: Der See ist wirklich umwerfend schön. Umbettet von einer überwältigen Gebirgslandschaft, hier und da ein Wasserfall, klares Wasser, einfach nur schön, und dann das Wetter! Unglaublich! Es sitzen noch ein paar, meist junge Leute da, die meisten von ihnen haben mich überholt. Wieder für mich ein Lernfeld: es ist völlig in Ordnung, dass mich viele überholen, ich muss nicht mithalten und ich gehe in meinem Rhythmus weiter, so wie es MIR gut tut. Ich muss keinem etwas beweisen, vor allem mir nicht! Sagt sich alles sehr leicht, fühlt sich aber nicht so richtig gut an, wenn die schwungvoll an einem vorbeiziehen, während ich das Gefühl habe, lieber auf der Stelle einzuschlafen und mich keinen Meter mehr zu bewegen. Zum Glück habe ich durchgehalten, in meinem (sehr langsamen) Tempo und so bin glücklich, als ich den See endlich vor mir sehe – meine Jeans ausziehe und mich einmal ganz untertauchen kann. Zum Schwimmen ist es mir zu kalt, aber einmal abkühlen, das tut gut!
Ich esse erst einmal etwas, habe zum Glück genug dabei und allmählich kommen meine Kräfte zurück! Die werde ich auch brauchen, denn der Abstieg ist nicht so viel weniger kräftezehrend!
Ich habe mich etwas übernommen, aber es war wunderschön, und umso glücklicher bin ich wieder am Auto!
Ich steuere den nächsten Campground an, wieder einen Naturplatz, von denen es hier an der Straße einige gibt. Vorher allerdings halte ich noch an einem anderen See, direkt auf dem Weg, und mache mich frisch. Einmal den Schweiß abzuwaschen, das tut gut! Und ich bin bereit für die Nacht.
Den Abend verbringe ich Gesprächen mit mehreren Europäern: ein deutsches junges Pärchen, eine französisch sprechende Schweizerin, zwei Spanier, eine Französin. Wieder einmal wird mir bewusst, welch geniale Entscheidung es früher einmal war, dass alle Länder eine Sprache lernen, mit der sich nun alle verständigen können!
Dienstag, 29.12.2015
Rund um Te Anau
Ich wache halbwegs normal gegen halb sieben auf, befinde mich in einer Wolkendecke und fahre gleich zurück nach Te Anau. Eine gute Zeit zum Skypen! Immerhin hatte ich wieder einmal zwei Tage kein Internet, und mein Bedarf an Kommunikation ist durchaus da, gerade nach so wunderschönen Erlebnissen!
Im Ort gibt es drei Wifi-Zellen, ich hab die freie Wahl, nehme natürlich die, an der ich erstens gut parken kann und zweitens mich, weil es langsamer sonniger und wärmer wird, draußen hinsetzen kann. Da Bernd mit Sven in Hamburg mit einem Kollegen und seiner Frau klettern war, hat er auch viel zu erzählen und so mache ich mir nebenbei mein Müsli und frühstücke entspannt. Es ist spannend zu hören, was die beiden erlebt haben!
Hiernach gehe ich in ein vom „Lonely Planet“ empfohlenes Café, lade mein iPhone wieder auf, schreibe, sortiere Bilder für den Blog und genieße die Ruhe und die Örtlichkeit.
Ein kleiner Einkauf, wieder zur Wifi-Zelle, alles vorbereitete ins Netz setzen, dann könnte ich ja eigentlich noch einmal mit Bernd skypen. Während ich das überlege, schickt Björn (mein älterer Sohn) mir eine SMS und ich rufe ihn an. Meine Güte, was heute so möglich ist! Skype ist das eine, das andere ist FaceTime, eine Art Skype für Apple-Benutzer. Ich komme mir gar nicht so weit weg vor, Björn klingt so nahe! Es ist schön, mit ihm zu reden und mich auszutauschen. Weil er selbst hier war, weiß er ja genau, wo ich bin und kennt die Gegend hier, das ist schon klasse.
Inzwischen ist einige Zeit vergangen und ich habe wieder Hunger. Das Café von vorhin war so gemütlich, also gehe ich da noch einmal hin, esse eine Kleinigkeit und gönne mir danach einen weiteren Cappuccino. Mit vielen Gläsern Wasser, damit ich fein weiterlesen kann. Eine gemütlich Bank in Schatten, ich mach es mir richtig bequem. Wie habe ich es gut!
Als ich den Cappuccino bestellen gehe, beobachte ich, wie eine ältere Frau versucht, mit ihrem Smartphone einen Artikel aus einer Hochglanz-Zeitschrift abzufotografieren. Es klappt nicht, der Blitz wird jedes Mal ausgelöst und überblendet den Text. Ich kann nicht anders: Ich zeige ihr, wie sie den Blitz ausstellt und dann ein gutes Bild machen kann – und wie sie ihn danach wieder anstellt! Ich erkläre ihr, dass ich das in Deutschland unterrichte und sie freut sich total. Nun bin ich an der Reihe mit meiner Bestellung – in Neuseeland bestellst du immer an der Kasse, bezahlst, bekommst eine Nummer und dann wird dir das Essen oder eben der Kaffee gebracht. Dadurch sieht man ständig suchende KellnerInnen. Dass ich eben diese Dame am nächsten Tag wiedertreffen soll, gehört zu den netten Zufällen einer Reise, dazu dann später.
Gestärkt und ausgeruht mache ich mich auf den Weg, zunächst einmal ein wenig am See entlang. Dabei entdecke ich einen Top10- Campground und überlege, dort eine Nacht zu bleiben, eine heiße Dusche hätte ja etwas. Ich bin nicht nur etwas geschockt, als sie für einen Non-Power Platz 56$ (fast 30€) haben wollen, weil sie den Platz sonst auch an zwei Personen vermieten können. Hallo? Ich dusche auch nicht für zwei, machen keinen doppelten Müll…
Das finde ich so unverschämt, dass ich dankend gehe und mich nun zu einer kleinen, vom neuseeländischen Naturschutzbund betriebenen Vogel-Aufzuchtstation aufmache. Idyllisch gelegen, super gepflegt und ein paar vogelfreundliche „Käfige“. Gut lesbare Beschreibungen, wer sich drin befindet und mit welchen Verletzungen oder Auffälligkeiten sie gefunden wurden, runden den Besuch ab. Besonders beeindruckt bin ich vom „Ruru“, ein Eulenvogel, heißt wie unser Uhu nach ihren Geräuschen. Dieser hier kann offenbar nicht mehr hören und somit nicht auf „Anfragen“ anderer Rurus in Ihrer Umgebung reagieren. Er würde normalerweise nicht überleben können und findet hier sein „Gnadenbrot“. Eine weitere Vogelart, der flugunfähige Takahe, hat ein so weitläufiges Gehege, dass man die Tiere manchmal gar nicht unbedingt zu sehen bekommt.
Der Takahe ist auf der Südinsel inzwischen sehr bedroht, auf der Nordinsel bereits ausgestorben, dabei ist er eigentlich überlebensfähig. Leider werden deren Eier oder die Jungen leicht zur Beute von eingeführten Säugetieren. Hier wird das Gras wachsen gelassen, damit diese Bodenvögel sich verstecken können.
Eintritt kostet es nicht, stattdessen gibt es Boxen für Spenden, eine tolle Einrichtung! Süß finde ich immer die Formulieren der „Donation of a golden coin“ – bitte nicht weniger als 1 oder 2$.
Genauso wie ich gemerkt habe, dass der Reisekoller sich anschleicht, fühle ich ihn wieder gehen. Ich bin bereit für eine neue Wanderung, und auf dem Parkplatz spüre ich „nun ist er ganz weg!“ Hurra! Ich gehe einen superschönen Waldweg, einen Teil des Keppler-Tracks. Die Touristen-Information hatte ihn mir vorgeschlagen und einen echten Volltreffer gelandet. Ich hatte der sympathischen Frau meine Zeit- und Schwierigkeitsvorstellung mitgeteilt, wollte meine Muskeln nach der gestrigen Anstrengung ein wenig schonen, und so kam ich auf diesen Weg. Moderate Steigungen, ein weicher Waldweg, verschiedene Grüntöne um mich herum, Vogelgesang leise im Hintergrund, wenige Menschen, blauer Himmel, anfangs neben mir ein Fluss, eine äußerst angenehme Temperatur – einfach nur schön, erholsam, perfekt, fast Meditation – wäre da nicht meine inzwischen volle Blase. Nur selten wünsche ich mir, ein Mann zu sein! Jetzt aber….
Jedes Mal, wenn ich einfach hinter ein paar Büschen verschwinden möchte, höre ich Stimmen und schon kommen Leute um die Ecke. Also weiter, wo ist der nächste geeignete Platz? Dort! Kurz abchecken, keiner in der Nähe? Doch…. Ich errechne Wahrscheinlichkeiten, in wie vielen Minuten jemand kommt, weil mir gerade 5 begegnet sind, aber die Rechnung hält sich nicht an die Realität. Beckenbodentraining pur…. Gut, irgendwann…
Der Weg führt an einem kleinen See vorbei, durch Moor- und Sumpfgebiete.
Nach 1,5 Stunden erreiche ich mein Ziel, den großen See „Lake Manapouri“. Ich verweile einen kurzen Moment und kehre dann wieder um. Insgesamt sind es 11 wunderschöne Kilometer, nach denen ich dann doch müde bin. Am Auto genieße ich ein Käsebrot und Saft und mache mich dann auf, in dem nächsten Ort, Manapouri, einen Campground zu suchen. Es sind nur ca. 12 km, und es ist knapp 18:00, also Zeit, um unterzukommen. Der Ort macht einen ruhigen Eindruck, tagsüber sind sicherlich viele Bootstouristen da und von hieraus starten auch große Wanderungen, abends ist es ruhig.
Der Campingplatz liegt recht versteckt, macht einen schmuddeligen Eindruck und ist mit 35$ mir ebenfalls viel zu teuer. Nein, das will ich nicht! Ich drehe um, fahre die Schotterstraße wieder nach oben und suche mir den zweiten Campingplatz. Ein riesiges, bieder aussehendes Gelände (da kann mancher Engländer für seinen Rasen noch etwas dazulernen!) erwartet mich, viele Wohnwagen sind nicht zu sehen, es ist also noch etwas frei. Eine muffige Frau kommt ins Büro, hatte vorher wohl mein Auto gesehen und meinte, sie hätte keine Plätze ohne Strom frei. Ich fragte nach den Kosten für die mit Anschluss, aber die würde sie nicht an die vermieten, die keinen brauchen. Keine Chance! Die wollte mich nicht! ich weiß nicht, ob ich entrüstet, geschockt oder amüsiert sein soll. Ich entscheide mich der Einfachheit fürs Letztere! Wie gut, dass ich in der Karte einen Doc-Campground auf halbem Weg nach Te Anau gesehen habe! Wie schade, dass ich nicht wusste, dass der inzwischen aufgegeben wurde: „No Overnight-camping!“ – Schilder überall dort, wo einst campsites ausgewiesen waren. Ich sehe noch, wo das Plakat mit den Preisen einst hing.
Ich gestehe, die immer wiederkehrende Schlafplatz-Suche nervt, und ich bin nur froh, dass mein Koller sich verabschiedet hat und mich nicht runterzieht. Nun weiß ich ja, dass es auf der Straße, die ich gestern gefahren bin, viele DOC-Plätze gibt und ich also nur mehrere Kilometer in Kauf nehmen müsste. Immerhin keine Meilen, und immer noch besser als so einem blöden Abzocker-Platz das Geld in den Rachen zu stopfen.
Direkt in Te Anau, gegenüber vom See, findet sich ein weiterer offizieller Platz, in dem ich doch auch mal kurz nachfragen kann. 30$ wäre ich ja bereit auszugeben, jetzt in der Saison, für eine warme Dusche und einen Herd für eine nette Mahlzeit (Nudeln mit….)
Ein nettes Mädel (Work and Travel aus New York) empfängt mich, natürlich haben sie Platz, und ich kann mir einen Platz aussuchen, kostet 21$ (12€) – ich hätte sie am liebsten umarmt! Und so ist wieder einmal mein Schlafplatz gesichert – morgen werde ich ihn um mindestens eine Nacht verlängern! Nach einer ausgiebigen Dusche mit geföhnten Haaren, einer leckeren Mahlzeit (Nudeln mit Knoblauch, Zwiebeln, Tomaten, Paprika und Rührei) gehe ich natürlich wieder zu meiner Wifi- Zelle, um zu ……
Bernd ist noch nicht wach, und ich wärme mich in einem Touristen-Laden auf….
Mittwoch, 30.12.2015
Ruhiger Tag in Te Anau
Ich habe gleich für zwei weitere Nächte gebucht, so kann ich hier in Ruhe Silvester verbringen – und am nächsten Mittag mit meiner Familie „anstoßen“. Ich beschließe, wieder einen ruhigen Tag zu verbringen und halte mich daran. Einen Vormittagskaffee, in der Bücherei eine Runde Bilder auf dem Stick sichern, mittags eine Kleinigkeit im Café „Sandflies“ essen und wieder einen Cappuccino. Dabei treffe ich die nette Frau vom Vortag wieder, der ich mit den Smartphone geholfen hatte. Ich erkenne sie zunächst nicht, hatte wohl doch zu viel auf ihr Handy anstatt auf ihr Gesicht geachtet, aber sie winkt mir zu und zeigt auf ihr Smartphone. Nachdem ich den Kaffee bestellt habe, gehe ich zu ihr und entschuldige mich, dass ich sie nicht erkannt habe, und sie bittet mich zu sich und ihrer Schwägerin an den Tisch. Es ist supernett, wir erzählen über meine Reise und ihr Leben hier in Neuseeland. Sie sei hier zu Besuch bei ihrem Bruder und der Schwägerin und würde sich sehr freuen, wenn ich in Christchurch besuchen würde. Anschließend fragt sie mich, ob ich nicht Lust hätte, am morgigen Abend mit ihr und ihrer Familie in ein nahe gelegenes Restaurant zu kommen und den Silvesterabend mit ihr und der ganzen Familie zu verbringen. Ich sage zu und freue mich drauf. Es ist etwas aufregend, weil ich zum Teil die beiden schlecht verstehen kann, sie sprechen einfach zu schnell, die lieben Einheimischen, aber ich werde oft nachfragen, und zu verlieren habe ich nichts.
Sie fragen mich nach dem Linksverkehr, mit dem ich zum Glück inzwischen sogar gut klarkomme, wenn ich müde bin. Ich erzähle, wie gut mir das gefällt, eben weil es erstens links ist, und ich Linkshänderin, und zweitens so schön anders als zu Hause. Ich berichte aber auch von meiner Schwierigkeit, beim Blinken dauernd die Scheibenwischer zu betätigen – denn die sitzen links, der Blinker rechts. Daran gewöhne ich mich glaub ich nie. Sobald ich nicht nachdenke, setzen bei bestem Wetter meine Scheibenwischen auf Hochtouren ein – schließlich ziehe ich den Blinker mit einem Ruck ganz nach unten… Sie lachen und meinen, das würden sie öfter sehen – und dann immer wissen, dass da wieder ein Ausländer unterwegs ist.
Ich bin dann später zu dem Restaurant gegangen und hab einen Patz mehr bestellt, so haben wir das ausgemacht – wenn ich das richtig verstanden habe….
Für den Abend habe ich mir vorgenommen, ins Kino zu gehen, es wird täglich fast stündlich ein Film über die Fjord-Landschaft gezeigt, natürlich abgesehen vom regulären Abendprogramm, derzeit „star wars“. Bis 19:00 ist aber noch gut Zeit und ich begebe mich erst einmal zum Campground. Ich möchte noch einmal Wäsche waschen – und mein Auto von außen „Neujahrs-fertig“ machen. Ja, ich werde mein Auto waschen, es staubt dermaßen, dass ich schon dreckig werde, wenn ich den Kofferraum schließe. Kein Wunder, so oft wie ich hier auf Schotterstraßen fahre. Und was die anderen Autos dann noch dazu beitragen, die an meinem parkenden Auto vorbei rasen….
Ich habe mir beim Supermarkt zwei Putzlappen besorgt, aber leider keinen Eimer. Also heißt es immerzu – Waschraum – Auto – Waschraum – Auto….. bis es glänzt! Ich glaube, ich sorge für gute Unterhaltung! Werde jedenfalls oft angegrinst. Das Dach lasse ich wie es ist – da komme ich nicht an – und sehe es dementsprechend auch nicht. Innen ein sauberes Laken, aufgeräumt, nun kann das neue Jahr kommen!
Und heute ist also der letzte Tag des Jahres 2015. Einen Rückblick werde ich nicht im Einzelnen ausführen. Wenn ich zurückdenke, erinnere ich lauter schöne Dinge, und das finde ich schon mal richtig klasse! Unsere USA- Reise im Juni (da ahnte ich noch nicht einmal etwas von meinen wachsenden Plänen dieser Reise, sonst hätten wir sicherlich nicht einen solchen großen Urlaub unternommen – so dick ist unser Konto nun auch nicht) mit so vielen Eindrücken, Absetzen meiner Anti-Angst Medikamente und trotzdem keine neuen Paniken, viele schöne Chorstunden, tolle Treffen mit Freunden, viele Cappuccinos in der „Moorrübe“, meinem geliebten Dorf-Bioladen, mit vielen schönen Gesprächen, keine besonderen Ereignisse, die mich umgehauen haben, als krönenden Abschluss dann meine Neuseelandreise… und das sind nur die Dinge, die mir mal eben einfallen. Ich werde sicherlich nachher noch eine kleine Wanderung machen und mehr nachdenken – ich werde euch dann daran teilhaben lassen.
Um meinen Stellplatz nicht aufzugeben, gehe ich zu Fuß ins Kino, es sind ca. 2,5 km, gut machbar und schön ist der Weg auch. Ich komme an einer kleinen gläsernen Hochzeitskirche vorbei, sie erinnert mich irgendwie an Las Vegas. Man kann sie eben für einzig diesen Zweck mieten, sie ist schlicht in weiß geschmückt, das wiederum unterscheidet sie von den amerikanischen. Außer der Eingangsseite sind alle Wände aus Glas, die Besucher haben einen wunderschönen Blick auf den See, vor dem dann noch dicke Bäume stehen! Richtig romantisch. Angeschlossen ist sie praktischerweise an ein Hotel – Heiraten „all inclusive“ ist angesagt!
Der Film ist klasse, nur Naturbilder, aufgenommen aus einem Hubschrauber heraus, mit schöner Hintergrundmusik. Kein Text, dafür kommt die Kinokarten-Verkäuferin zu Beginn hinein, und erzählt ein paar Dinge zu dem Film, wie er entstanden ist, wer ihn gemacht hat usw.
Entspannend, beeindruckend, unglaublich, was sich hinter den sichtbaren Bergen noch so versteckt. Ich bekomme ein wenig Verständnis dafür, dass viele Leute sich das vom Flieger ansehen möchten – auch wenn ich das weiterhin für einen ökologischen Wahnsinn halte! Und für die Nicht – Flieger eine akustische Zumutung!
Auf dem Weg zum Campground ist es eisig kalt. Der Wind bringt die Temperatur in den unteren einstelligen Bereich. Ich gehe recht schnell, friere trotzdem ordentlich, trotz meiner zwei Pullover – der Wind geht da einfach durch.
Erinnert mich an Las Vegas: ein Heiratskirche, aber alle Wände aus Glas mit Blick auf den See
Aber die 1,5 km sind dann doch irgendwann abgelaufen und ich mache mir einen heißen Tee. Bis spät in die Nacht schnacke ich mit einem deutschen Pärchen, die hier für 5 Wochen sind. Lebensgeschichten sind immer wieder interessant!
Donnerstag, 31.12.2015
Silvester mit netten Menschen
Te Anau ist wirklich so ein wunderschöner Ort direkt am See, das Fjordland im Hintergrund, völlig idyllisch – wäre da nicht der ganze Lärm: Motorboote, Hubschrauber, Flugzeuge. Ich glaube, die meisten haben sich an diese Dauerbeschallung gewöhnt, ich finde sie ätzend!
Ich befinde mich auf einer Wanderung entlang des Keppler-Tracks. Es geht auf angenehmen Waldwegen entlang des Te-Anau-Lakes, zunächst an einem kleinen Wasserkraftwerk vorbei, dann rein in die leider trotzdem nicht ganz so ruhige Natur.
Ein Wasserkraftwerk am Anfang des Weges
Der Keppler-Track hat den großen Vorteil, dass man einige Passagen abwandern kann, ohne den ganzen Track zu buchen. Meine Strecke geht an eine bestimmte Bucht und umfasst 12 km, wenn ich wieder am Auto bin. Rechts neben mir der See, zum Großteil durch Bäume verdeckt, auf allen Seiten Bäume, Farne, Moose, blühende Sträucher.
Der geeignete Weg zum Entspannen, Vor-sich–Hindenken. Es gelingt mir, mich nicht über den Krach zu ärgern. Als ich die Bucht erreiche, nach ca. 1,5 Stunden, sitzen dort einige Gruppen und Familien beim Picknick – eine ganze Motorbootflotte „parkt“ davor. Ich glaube, nahezu jeder, der hier lebt, hat eher ein Boot als ein Auto! Und ich glaube, ich wäre keine Ausnahme, lebte ich auch hier. So denke ich öfter über die Diskrepanz zwischen Spaßfaktor und Umweltschutz nach….
Heute Abend nun werde ich mit 10 fremden Menschen essen gehen, und das in einer mir natürlich noch lange nicht vertrauten Sprache. Ich gehe im Kopf viele Fragen durch, schlage Vokabeln nach, wie gut dass ich ein Wörterbuch auf meinem iPhone habe, und rüste mich ein wenig. Ich bin aufgeregt, und manchmal schleicht sich der Gedanke an, nicht hinzugehen. Aber den erwische ich und scheuche ihn fort. Gekniffen wird nicht, es ist eine wunderbare Gelegenheit, mit Einheimischen in Kontakt zu kommen.
Und so mache ich mich um sieben frisch geduscht und so fein angezogen, wie es als Backpackerin eben geht, auf den Weg.
Die meisten von ihnen sind schon da, ich sehe sie durchs Fenster. Noch könnte ich den Rückwärtsgang einschalten, gebe mir aber einen Tritt in den ….. Und gehe hinein. Iarene freut sich, als ich komme und stellt mich den anderen vor, erklärt, wer ich bin und warum ich da bin.
Höflicherweise setzt sie mich zwischen sich und ihrem Mann, wir tauschen dann aber noch einmal, als ich meinte, dass ich sie aber nicht von ihm trennen wollte.
Ich erfahre, dass er gerade mit sechs von den anderen (Nachbarn, deren Söhne und eine Freundin) den Keppler-Track gelaufen ist. Umso schöner doch, dass sie dann zusammensitzen! So sitze ich am Rand, neben ihr und gegenüber von ihrem Bruder und seiner Frau, die ich ja auch schon im Café kennengelernt habe. Die beiden sind sehr viel gereist und besonders Garry, der Bruder, 78, ist erzählfreudig und hat viele Anekdoten auf Lager. Langsam höre ich mich immer mehr ein und kann mitlachen, weil ich das meiste verstehe – und nicht, weil die anderen lachen.
Ich kann nicht vermeiden, dass ich mich ab und zu unsicher fühle, bekomme das aber gut in den Griff und freue mich, als sie mich vorsichtig fragen, ob ich mit zum großen Feuer und anschließend zum Feuerwerk kommen mag. Es ist ehrlich gemeint, aber vorsichtig, weil ich ja auch noch etwas anderes vorhaben könnte.
Gemeinsam wandern wir zu einer großen Grünfläche, auf der Life-Musik gespielt wird und Holz für ein großes Feuer gestapelt ist. Es wird langsam dämmrig, es ist kurz vor halb elf.
An einer Bude kann man blinkende Lichter kaufen, an einer anderen Eis und Getränke. Das ist alles. Zwei Polizisten wandern durch die Menge, achten auf die Einhaltung des Alkohol-Verbots. Wie in den meisten Bereichen aller Städte hier in Neuseeland ist das Trinken nicht erlaubt, gekennzeichnet mit Schildern.
Das Holz ist trocken und brennt lichterloh! Der Platz hat sich gefüllt, die Musik ist klasse, was will ich mehr! Ich bin dankbar, dass ich mich getraut habe und hier nicht alleine stehe – wenn ich überhaupt auf die Idee gekommen wäre, herzugehen. Das Feuerwerk wird am See sein, es wird ein Gesamtwerk sein, das von einem Hotelbesitzer jährlich spendiert wird. Ich erfahre, dass man zwar an nur 5 Tagen Raketen und Ähnliches kaufen kann, die dann aber täglich ohne Einschränkung verschießen darf.
Wir bewegen uns wenige Meter und stehen am See – direkt dort, wo das Feuerwerk gestartet wird. Punkt 12 geht es natürlich los und vom Gucken und Staunen bekomme ich fast eine Genickstarre, aber es ist so faszinierend, wie die Kunstwerke direkt über uns herabregnen. Prächtige Farben, geschickt konstruiert und angezündet. Ein großes Erlebnis in einer kleinen Stadt, auf das die Bewohner mit gutem Grund sehr stolz sind!
Bis wir uns alle ein frohes neues Jahr gewünscht haben, ist es halb eins und ich lehne die Einladung zum Kaffee bei ihnen zu Hause ab. Müde, und doch durch die ganze Konzentration ziemlich ausgepowert, möchte ich noch kurz mit Bernd skypen und dann in meinen Schlafsack. Ich verspreche, mich in Christchurch zu melden und freue mich auch auf einen Besuch bei Iarene und ihrem Mann.
Es ist lustig, 12 Stunden vor Euch das neue Jahr „betreten“ zu haben, und während ich dieses hier schreibe, warte ich darauf, ebenso wie Ihr, dass es 12:00 wird, damit ich per Skype mit meiner Familie anstoßen kann. Von einigen von euch bekam ich zu meinem Jahreswechsel eine SMS, ich war richtig gerührt, denn bei euch war es mittags, und trotzdem habt Ihr an mich gedacht! Danke!
Ich sitze wieder in „meinem“ Café, halte mich nach meinem Cappuccino schadlos an das Wasser. Auf dem Bottich, aus dem man sich das Wasser abfüllt, steht sogar: „Drink more!“ Gut, mach ich!
Heute Nachmittag werde ich dann weiterreisen, es geht in Richtung Südspitze. Weiteres also ziemlich sicher morgen!
In diesem Sinne:
EIN FROHES, GLÜCKLICHES, ZUFRIEDENES, ABWECHSLUNGSREICHES, GESUNDES NEUES JAHR
2016
zurück