7.1.19

Auf zum Tongariro

Nun muss ich wieder über zwei Tage berichten – gestern konnte ich mich zum Schreiben nicht aufraffen – Ich hatte den ganzen Tag Hunger. Das hätte dann so ausgesehen:

Es war so schön – Hunger – Jane wieder zu sehen – Hunger und die  Chemie stimmte sofort wieder – Hunger – …..
Ihr versteht dass das irgendwie nicht ging.

Nun hab ich gerade einen leckeren Scone intus, fühle mich satt und zufrieden, das einzige was stört, ist, dass hier im Café als auch aus der Küche Musik ertönt – verschiedene versteht sich. Ich muss mich also etwas mehr in mein Geschreibsel vertiefen, damit es mich nicht kirre macht – ich scheine auch die einzige zu sein, der es auffällt.  Ich sitze heute ganz alleine hier – das erste Mal seit Wochen habe ich fast einen  Tag alleine für mich. Ich genieße die Reise mit Bernd sehr, spüre immer wieder eine tiefe Dankbarkeit in mir, dass ich ihm vor nun fast (Ende März genau) 30 Jahren begegnet bin! Dass ich – und auch er – fast ein Jahr dachte, wir seien nur einfach tolle Freunde unda gaaanz sicher niemals ein Paar, finde ich immer noch erstaunlich.  Doch ich weiß, dass Ihr alle es gut nachvollziehen könnt, dass ein paar Stunden ganz alleine einem sehr gut tuen. Heute morgen fühlte ich mich wie früher, als die Kinder zur Schule gingen, und ich wußte, ich habe ein paar Stunden für mich.
Bernd läuft heute das Tongariro-Crossing. Das wollten wir eigentlich gemeinsam machen, aber ganz eignetlich hatte ich keine Lust. Der Track ist sehr anstrengend und ich bekam schon wieder Bekemmungen, als wir das Ausgangsdorf erreichten. Aber der Reihe nach:

5. Januar
Wir treffen wie verabredet Jane zu Hause an, sind durch unsere Pause etwas später als gedacht, aber sie ist genauso relaxed, wie ich sie in Erinnerung habe. Und die Chemie stimmt sofort, es geht Bernd genauso. Es ist locker und unkompliziert. Wir sitzen wegen der Sonne drinnen und trinken einen Tee – mit Kräutern aus dem Garten. Ganz begeistert zeigt sie uns ihr Paradies draußen, sie baut viel an – ihr Grundstück wirkt so richtig naturverbunden und  geliebt – aber nicht ober ordentlich und akkurat. Wir freuen uns richtig darauf, zu hause auch mehr anzubauen und ich hoffe schon jetzt auf einen schönen Sommer!
Gerade heute sind alle ihre Kinder da: 2 Jungs im Alter von 15 und 18 und ein zwanzigjähriges Mädel. Ich hatte nicht in Erinnerung, dass ihre Kinder jünger als meine sind, zumal sie älter als ich ist. Aber das ist natürlich auch das typische Schubladen-Denken: Sie ist älter, also müssen ihre Kinder auch älter sein…. So lernen wir alle kurz kennen. Ich bin erstaunt, dass sie alle schon genau wissen, was sie machen werden – der mittlere weiß schon, seitdem er 4 Jahre ist, dass er zu Armee will – und das bei der pazifistischen Mutter. Da er schon so lange daran festhält und auch in seiner Jugend schon diverse Lehrgänge und Freizeiten mitgemacht hat, hat sie sowieso keine Wahl, als ihn seinen Weg finden zu lassen. Und Jane nimmt es supertoll gelassen. Wir sind uns einig, dass wir unsere Kinder gut ihren Weg gehen lassen können, solange sie nicht z.B. rassistisch sind oder andere gänzlich andere moralische Vorstellungen als wir haben. Vielleicht muss ich da natürlich auch anders denken – die Armee in  Neuseeland hat mit Sicherheit andere Aufgaben als bei uns. Der jüngere wird Filmemacher, auch das ist sicher. Er hat schon Preise gewonnen. Ich habe nicht verstanden, ob er mit der Schule weitermacht, zumal alle Kinder „Home-Schooling“ machen. Jane selbst ist Lehrerin und hat die Einstellung, dass alle Kinder Lesen, Schreiben und Rechnen von sich aus lernen wollen und sich ihre Neigungen suchen und dann vertiefen. Wir diskutieren nicht darüber – ihre Kinder zeigen ja den vollen Erfolg, in meinen Augen, soweit ich das  in der Kürze beurteilen kann. Sie wirken offen, selbstbewusst,  sozial-kompetent. Jane erklärt uns, dass man  hier zwar ein Konzept einreichen muss, weil die Regierung Angst hat, dass die Kinder so nicht genug lernen, aber sich dann keiner mehr darum kümmert. Prüfungen müssen sie nicht machen, erst wenn sie auf die Uni machen, müssen sie im Internet irgendwelche Credits sammeln. Was für die Hanna wohl kein großes Problem war, denn sie fängt nach 2 Jahren Auslandsaufenthalt in Europa nun ein Studium in Wellington an.

Es stellt sich nicht die Frage, ob wir über Nacht bleiben, schon alleine, weil sie den letzten Abend in Familie haben- alle fahren gegen 16:00 gemeinsam an den Strand, und wir weiter Richtung Tongariro-Nationalpark, über Whanaka.

Ich kann mich schwer dagegen wehren – ich fühle mich im Auto ziemlich klein. Die, die mich gut kennen, können sich das denken. Alles war so perfekt, nicht im Sinne von Ordnung und so … sondern es wirkte und war echt, unkompliziert und authentisch. Während ich zum Teil meine englische Worte nicht finden konnte, was mich ärgerte …  nein, ich bin nicht neidisch, naja, jedenfalls nicht so doll, also vielleicht etwas – aber worauf? Ich weiß es nicht, vielleicht auf die Gelassenheit, auf die innere Ruhe, die Jane ausstrahlt, die ich wohl mein Leben lang suchen werde? Nein, die strahlt sie eigentlich gar nicht aus, vom Temperament ist sie mir eher ähnlich.
Ich brauche einen Moment, um wieder mehr zu mir zu kommen – aber es klappt! Ich muss mir nicht einmal bewusst machen, wie gut ich es habe, sondern das Gefühl ist tief da. Das Wissen, dass jeder seine Päckchen zu tragen hat, man selbst seine eigenen nur am besten kennt, brauche ich nicht abzurufen, es ist da, ohne etwas zu relativieren. Nicht nach dem Motto: na, da ist bestimmt auch nicht alles so toll…. wie ich es früher in mein Bewusstsein rufen musste, damit ich mich nicht so verschwindend gefühlt habe. Ich notiere es als echten Fortschritt! Und : keine Migräne weit und breit zu sehen….

Es geht also nun weiter nach Whanganui, etwa eine Stunde Fahrt. Dort wollen wir auf einem kostenlosen Platz bleiben, finden auch schnell einen, der auch nett liegt. Da wir aber noch öffentliche Toiletten brauchen, fahren wir noch ins Städtchen.  Dort finden wir nicht nur die erwünschten – frisch geputzten Klos, sondern auch noch einen schöneren Platz – direkt am Fluss, dort wo ich mich vor drei Jahren mit meiner Nachbarin Els und ihrer Tochter getroffen habe, dort, wo ich Yoga machte. Dort,…. Bernd muss da durch, alle meine Erinnerungen. Abends bei Grease, Outdoor-Kino. Kaffee hier, und da auch…. Dampfmaschinenfahrt.
In dem nahen Kaffee/Bar trinken wir noch ein kleines, (teures),  leckeres Bier und lesen.

– erst einmal einen neuen Cappuccino geordert und eine zweite Literflasche Wasser geholt ——

6. Januar:
Wir schlafen fast 10 Stunden, und der Tag kann beginnen! Während Bernd in die Stadt geht, zu den öffentlichen Toiletten, wandere ich durchs gerade geöffnete, wesentlich dichtere Cafe, zu ebenfalls public toilets, die allerdings von der anderen Seite erst geöffnet werden, wenn die dranhängende I-Site öffnet. Ich kenne da ja nichts – und die im Café interessiert es auch nicht.  So kann ich anschließend schon mal das Bett zusammenbauen und das Frühstück machen – ein Müsli mit Blick auf den Whanganui-River, dazu einen Tee. Eigentlich wollen wir nach einem anschließenden Gang durch die Stadt, in der wir übrigens zum ersten Mal einen Organic-Shop finden und das erste(!) leckere krosse Brot kaufen, uns wieder auf den Weg machen, aber so schnell mag ich doch noch nicht weg und wieder Auto fahren.

Kross aussehen tun hier viele Brote, aber dieses IST es auch!

Also trinken wir noch einen gemütlichen Cappuccino in dem Café bei der I-Site und lesen. Sehr entspannend, nun bin ich bereit zur Weiterfahrt. Wunderbar.

Noch edler als in Wellington! – Fahrrad-Reparatur-Service
Ohne Worte…

Wir fahren wieder durch eine wunderschöne Landschaft, eine grüne hügelige Gegend, bergauf, mit plötzlichem Blick in die Tiefe. Hügel mit gleichzeitig steilen abfallenden Felsen – eigentlich fast ein Widerspruch, hier aber möglich!

Wir wollen in den Nationalpark und morgen dann die Wanderung machen, das Tonganriro Crossing. 19,4 km, teilweise sehr anstrengend, superschöne Aussichten auf die Vulkane und in einen unglaublichen Vulkanschlund. Die Erinnerung daran spaltet mich – die Aussichten waren toll, aber ich war so unglaublich kaputt danach. Hatte auch viel zu wenig zu essen mit und überhaupt nur wenige Pausen eingelegt. Das wird dieses Mal anders.

Unterwegs kommen wir an einem kleinen Dorf vorbei, in dem offenbar hauptsächlich Maori leben, und das in seinen Unterschieden auffällt: zum einen einen relativ neuen Tennisplatz, gegenüber ein altes Schwimmbad. Baufällige Häuser, dann wieder richtig nette, gut erhaltene, viele verlassener Geschäfte, einige, die sich halten, ein gut aussehender Campingplatz, auf dem laut Schild Kanu-Touren und geführte Wanderungen angeboten werden.

Wir fühlen uns verschwitzt und gehen ins Bad – 2$ pro Erwachsener – wie halten die sich???  Wir sind allerdings nicht nur die einzigen Ausländer, ich denke auch, wir sind die einzigen, die nicht aus diesem Ort kommen.
es ist erfrischend und macht einfach Spaß und duschen können wir auch – kalt, aber immerhin!

Und plötzlich ist er zu sehen, nicht der Tongariro, sondern der Nebenberg- Namen vergessen.  Wunderschön! Wir erwarteten hier keine Schneeberge mehr – aber wie Ihr seht:

Und hier: Der Tongariro!

In dem Dorf, von wo der Startpunkt recht gut zu erreichen ist, am einfachsten sogar mit einem Shuttle,  bekommen wir keinen Campingplatz mehr. Alles full-booked. Wir beschließen bei einer Pause, dass wir an das andere Ende fahren, dort einen Campground suchen und dann das Auto auf dem Endplatz parken und mit dem Shuttle zum Start fahren. Dann sind wir unabhängiger. Dieser Platz ist näher an einer kleinen Stadt, in der wir einkaufen und überlegen, erst einen Tag später zu wandern und heute einen Top10 aufzusuchen, der 17 km weiter und bereits am Lake Taupo liegt. So gibt es am Abend Nudeln mit frisch zubereitetem Rindfleisch-Geschnetzelten. Dazu  ein großer gemischter Salat – lecker!

Bei dem Abendspaziergang am See merke ich deutlich, dass ich eigentlich lieber weiter in den Norden fahren würde als die Wanderung zu machen. Und als Bernd meint, er könne auch die Wanderung alleine machen, ich würde sicherlich auch gerne mal Tag einfach nur chillen und alleine sein trifft er genau meinen Gedanken. Ich mochte  das nicht sagen, mir gegenüber nicht einmal zugeben – gestreift hatte mich diese Idee durchaus. Wir beschließen es so und gleichzeitig, dass es doch dann schlau wäre, dass Bernd gleich morgen – also heute – die Wanderung macht. Er sucht seine Sachen zusammen und in mir keimt ein kurzer Gedanke, dass ich doch etwas verpassen könnte – „das hast du doch immer, wenn ich was alleine mache. Aber was sollst du verpassen, du hast es doch schon gemacht?“ – Keim erstickt!

Und so wecken wir uns sehr früh, sprich um 6:00 und ich will ihn bis zum Startpunkt bringen und dann am Ende wieder abholen. Ganz soweit kommen wir allerdings nicht: unser Benzintank zeigt zumindest beim Bergauf-fahren  gelbes Licht und ich zweifel, dass ich es vom Startpunkt, der noch ziemlich weit ist, zurück zum Tanken schaffe. Zum Glück haben wir die Abfahrt zum Shuttle  vom Endpunkt zum Anfang gerade vor uns – und so setze ich Bernd in den Bus und fahre zurück zum kleinen Städtchen und füttere unser Auto. Es ist  kurz vor acht, als ich mir dieses Café suche. Nach drei Stunden werde ich nun meinen Blog noch mit Bildern füttern. Und dann mal sehen….

Ostern beginnt hier wirklich gleich nach Weihnachten – noch früher als bei uns…

 

 

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